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Wohnungsbau-Tag in Berlin: Wissenschaftler warnen vor Wohnungsbau-Kollaps

(10.4.2025) Mit einem eindringlichen Appell haben sich sieben Spitzenverbände und Organisationen der Bau- und Wohnungswirtschaft am 10. April 2025 auf dem 16. Wohnungsbau-Tag in Berlin an die künftige Bundesregierung gewandt. Sie stellten den Bauforschungsbericht Nr. 91 vor und fanden deutliche Worte. Es sei wichtig, dass der Wohnungsbau eine bedeutende Rolle im 100-Tage-Programm spielt, die Wohnungsbauförderung ausgeweitet und verstetigt sowie das kostengünstige Bauen erleichtert werden.

Wohnungsbau-Tag 2025 

Deutschland muss einfacher und günstiger bauen

Für 100.000 neu zu bauende Sozialwohnungen seien pro Jahr 11 Mrd. an Förderung von Bund und Ländern erforderlich. Werde nach bisherigem Standard gebaut, müsste der Staat dagegen jährlich 15 Mrd. Förderung in den sozialen Wohnungsbau investieren.

Das Wohnungsbau-Bündnis fordert weiterhin eine Mehrwertsteuerbefreiung für den Sozialwohnungsbau: „Ein entschlossenes 0,0%-Steuer-Signal des Staates für mehr Wohnungen, auf die sozial schwache Haushalte dringend angewiesen sind.”

Darüber hinaus seien für 60.000 bezahlbare Wohnungen pro Jahr bei einfacherem Baustandard mindestens 4 Mrd. Euro an Subventionen vom Staat notwendig. Werde weiterhin nach gängigem Standard gebaut, müsse der Staat dagegen eine jährliche Förderung von 8 Mrd. Euro für das bezahlbare Wohnen aufbringen.

Bauforschungsbericht Nr. 91 (Studie Wohnungsbau-Tag 2025) 

Studie Wohnungsbau-Tag 2025 - Bauplan D 2030

Die aktuelle Wohnungsbau-Studie, die auf dem Branchen-Gipfel vorgestellt wurde, zeigt auf, was die neue Bundesregierung dringend tun muss, um den in die Krise geratenen Wohnungsbau anzukurbeln und die Weichen für mehr Neubau in diesem Jahrzehnt zu stellen. Die Studie hat das schleswig-holsteinische Bauforschungsinstitut ARGE (Kiel) gemeinsam mit dem Berliner Forschungsinstitut RegioKontext im Auftrag des Wohnungsbau-Tages erstellt.

Die Branchen-Verbände fordern eine Trendwende beim Wohnungsbau: einen „Neubau-Turbo”. Der Wohnungsbau-Tag zeigte auf, wie die Trendwende konkret gelingen kann – und zwar mit Blick auf die Kosten:

Prof. Dietmar Walberg, Leiter des schleswig-holsteinischen Bauforschungsinstituts ARGE

„Bauen geht in guter Qualität auch deutlich günstiger als es heute passiert: 25% lassen sich beim Neubau von Wohnungen sparen. Genau darin liegt der Schlüssel für die ‚Mehr-Bau-Chance’, die Deutschland dringend braucht. Im Idealfall lassen sich die Kosten sogar um bis zu einem Drittel reduzieren. Und dabei werden immer noch alle Standards und Vorschriften eingehalten – vom Lärm- und Brandschutz bis zu den Klimaschutzauflagen.” Zum Gebäude-Typ E: „Das E steht dabei für einfacheres Bauen – für den Regelstandard ‚Erleichtertes Bauen”. Aber auch für erfolgreiches Bauen: In Schleswig-Holstein sind damit gerade attraktive Mietwohnungen fertig geworden, bei denen die reinen Baukosten – also ohne Grundstück, Planung, Außenanlage – im Schnitt bei nur 2.230 Euro pro m² liegen.” 

Kostenersparnis beim Wohnungsneubau sei möglich durch:

  • Geringere Stärke von Decken und Außenwänden
  • Weniger Pkw-Stellplätze
  • Verzicht auf Tiefgaragenplätze
  • Verlagerung von Abstellräumen aus der Wohnung in den Keller
  • Verzicht auf überzogenen Lärm- und Klimaschutz (z.B. keine dreifach verglasten Fenster nötig)
  • Nutzung des geltenden Standards beim Lärm- und Klimaschutz als ausreichend
  • Weniger High-End-Produkte bei Haustechnik und Einbauküche

Dadurch werden nicht nur Kosten, sondern auch Baustoff- und Energieressourcen eingespart.

Arnt von Bodelschwingh, Leiter des Forschungsinstituts RegioKontext

Es fehlen aktuell mehr als 550.000 Wohnungen. 9,6 Mio. Menschen (11% der Bevölkerung) leben nach Angaben der Wissenschaftler in überbelegten Wohnungen. Das sind 1,1 Mio. mehr als noch vor 5 Jahren. In Mittel- und Großstädten sei die Lage noch prekärer.
„Es gibt ‚Zwangs-WGs’ nach Scheidungen. Fremde wohnen unter einem Dach, die eigentlich nicht zusammenleben wollen. Junge Erwachsene ziehen wieder zu den Eltern zurück. Gerade in Großstädten hoppen viele von einer Untermiete zur anderen. Es gibt Menschen, die von einem Wohnen auf Zeit zum nächsten teuren möblierten Zimmer weiterziehen müssen.” Der Leiter des Forschungsinstituts RegioKontext sieht die „kritische Infrastruktur Wohnen” in Gefahr: „Viele fahren stundenlang und kilometerweit zum Arbeitsplatz. Sie zahlen die Spritkosten extra, weil sie sich die Miete in der Stadt, in der sie arbeiten, nicht mehr leisten können. Das alles passiert, wenn Lohn und Wohnkosten bei massivem Wohnungsmangel immer krasser auseinanderlaufen. Die Menschen, die sich das Wohnen am wenigsten leisten können, leiden dabei am meisten.”

Warnung vor „Wohnungsbau-Kollaps”

Bei den Baugenehmigungen habe es einen enormen Einbruch gegeben. So hätten Bauämter im vergangenen Jahr nur noch knapp 216.000 Wohnungen genehmigt. Das sei ein Rückgang von 43% in nur drei Jahren. „Passiert jetzt nichts, dann wird das, was kommt, noch schlimmer, als wir es heute schon erleben. Der Einbruch bei den Baugenehmigungen ist der Vorbote für einen rapiden Absturz bei den Fertigstellungen. Dann haben wir eine ‚Wohnungsnot plus’ – nämlich plus ‚Neubau-Not’”, sagt Prof. Dietmar Walberg.

Insgesamt müssten Investoren und private Bauherren für jeden m² Wohnfläche heute deutlich tiefer in die Tasche greifen: So seien die Kosten für das Bauwerk allein in den letzten 25 Jahren bundesweit im Schnitt um das 2,5-Fache nach oben gegangen. In den letzten 5 Jahren habe es einen rasanten Preisanstieg von gut 32% gegeben. Kostentreiber dabei u.a. Heizung, Lüftung, Sanitär und Elektro.

Das Verbändebündnis Wohnungsbau fordert die neue Bundesregierung auf, verlässliche Mittel für den Wohnungsbau als wichtigen Teil der Infrastruktur bereitzustellen, unabhängig von schwankender staatlicher Kassenlage. Ein Zinsverbilligungsprogramm helfe zudem ein Zins-Zickzack-Kurs an den Finanzmärkten auszugleichen. So könne der  Bund mit einem 1%-Zinssatz solide Finanzierungen für den Neubau von Wohnungen möglich machen. Die Niedrigzins-Garantie sollte dann allerdings an eine Beschränkung der Miethöhe gekoppelt werden.

Bundesstatistik der Baubeginne

Es sei wichtig, genau zu wissen, für wie viele Wohnungen der Bau neu begonnen habe. Denn diese würden in der Regel auch fertiggestellt. Bei Baugenehmigungen, die bereits bundesweit statistisch erfasst werden, sei dies anders: „In einer Baugenehmigung kann keiner wohnen. Es können 5 lange Jahre vergehen, bis aus einer Baugenehmigung eine Wohnung wird. Außerdem wird längst nicht aus jeder Baugenehmigung am Ende auch eine Wohnung”, so das Verbändebündnis Wohnungsbau.

Zur Erinnerung: Den Wohnungsbau-Tag organisieren einmal im Jahr der Deutsche Mieterbund (DMB) und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) gemeinsam mit dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB), dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), dem Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) und der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) als Dachverband der Mauerstein-Industrie. Koordiniert wird der Wohnungsbau-Tag vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB).

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