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Fraunhofer ISE setzt auf Mittelspannung für Photovoltaik-Kraftwerke

(5.8.2024) Für den Umbau des Energiesystems sind enorme Rohstoffmengen, wie z.B. Kupfer und Aluminium für Leitungen zur Anbindung von erneuerbaren Erzeugern ans Netz, nötig. Ein vielversprechender Ansatz zur Einsparung von Rohstoffen besteht darin, die erneuerbare Energieproduktion in der Mittelspannungsebene, statt in der Niederspannungsebene zu betreiben. 

Insbesondere bei Photovoltaik-Großkraftwerken sieht das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) ein enormes Einsparpotenzial durch höhere Systemspannungen. Erste Pilot-Kraftwerke sind geplant und es wird gemeinsam mit der Industrie eine breite Markteinführung angestrebt. Zum Launch seines neuen Forschungsleitthemas „Mittelspannung – ressourceneffizient vernetzt” zeigte das Fraunhofer ISE bereits auf der Smarter E Fachmesse in München einen Mittelspannungs-PV-Stringwechselrichter und einen Mittelspannungs-Batteriewechselrichter.

Bei einem PV-Stringwechselrichter mit 250 kVA wird bei einer Erhöhung der Ausgangsspannung von 800 VAC auf 1.500 VAC der Kabelquerschnitt um 75% reduziert. (Bild: Fraunhofer ISE) 

Bis 2050 wird weltweit ein Zubau von etwa 73 Terawatt allein an installierter Photovoltaik-Leistung nötig, was zu einer starken Nachfrage nach Rohstoffen führt: ab 2025 wird der Kupferbedarf das angekündigte Angebot übersteigen, laut „Global Critical Minerals Outlook 2024” Report der Internationalen Energie-Agentur (IEA Org.). 

„Eine Erhöhung der Systemspannung kann hier Abhilfe schaffen. Denn durch das damit verbundene gleichzeitige Absinken der Ströme, können erhebliche Rohstoffeinsparungen erzielt werden”, erklärt Andreas Hensel, Gruppenleiter Hochleistungselektronik und Systemtechnik am Fraunhofer ISE. 

Eine Erhöhung der Ausgangsspannung von 800 VAC auf 1.500 VAC führt bei gleicher Leistung zu einer Einsparung beim Kabelquerschnitt um ca. 75%. Darüber hinaus sind die Verlegung und der Anschluss kleinerer Kabelquerschnitte deutlich einfacher und senken so die Installationskosten. „Nachdem die PV-Modulkosten seit 2010 durch technologischen Fortschritt und Skaleneffekte um 90% gesunken sind, bieten Installation und Balance-of-System Komponenten nun die größten Einsparungshebel”, so Andreas Hensel.

Durch den Schritt aus der Nieder- in die Mittelspannung, kann auch die Leistung der Subsysteme erhöht werden: Bei einer Spannung von 1.500 V sind bereits 10 bis 12 MVA statt der üblichen 3 bis 5 MVA in einem Transformator möglich. Bei gleicher Kraftwerksgröße resultiert daraus eine geringere Anzahl an Transformatoren und Schaltanlagen, was Bau- und Installationskosten verringert.

Im Projekt „MS-LeiKra” entwickelte und demonstrierte das Fraunhofer ISE den PV-Stringwechselrichter. (Bild: Fraunhofer ISE) 

Technologische Weichen sind gestellt

Erst durch die Entwicklung hochsperrender Siliziumkarbid-(SiC)-Bauelemente mit hohen Schaltgeschwindigkeiten wurde der Schritt in die Mittelspannung (MS) möglich. SiC-Bauteile sind inzwischen bis zu 3,3 kV marktverfügbar. Das Fraunhofer ISE hat 2023 im Projekt „MS-LeiKra” den weltweit ersten MS-PV-Stringwechselrichter entwickelt und erfolgreich am Netz in Betrieb genommen. Der zweistufig aufgebaute Wechselrichter hat eine Ausgangsspannung von 1.500 VAC bei einer Leistung von 250 kVA. 

„Wir haben demonstriert, dass technologisch die Weichen für den Weg in die Mittelspannung gestellt sind. Wir sind überzeugt davon, dass es aufgrund des enormen Materialbedarfes nicht mehr darum geht, ob die Technologie Einzug halten wird, sondern wer die ersten Akteure an diesem aussichtsreichen Markt sind”, erklärt Christian Schöner, Projektleiter Mittelspannung am Fraunhofer ISE. Auf Basis des MS-PV-Stringwechselrichters ist eine erste Photovoltaik-Pilotanlage aktuell in Planung. 

Mittelspannungs-Wechselrichter mit SiC-Leistungsmodulen für Großspeicher und Verteilnetze, entwickelt im Projekt „SiC-MSBat”. (Bild: Fraunhofer ISE)  

Gemeinsam Hemmnisse überwinden

Im Zuge eines MS-PV-Workshops wurde ein europäisches Konsortium mit Vertretern aller an einem PV-Großkraftwerk beteiligten Gewerke gebildet, welches die für den Sprung in die Mittelspannung nötigen technologischen und normativen Voraussetzungen gemeinsam untersucht. Christian Schöner berichtet: „Als schlagkräftiges Konsortium, das offen ist für weitere Mitstreiter, können wir die bestehenden Hürden gemeinsam angehen und eine Optimierung für das komplette Kraftwerk erzielen.”

Die PV-Großkraftwerke bilden erst den Anfang: denn interessante Anwendungsgebiete für die niedrige Mittelspannungsebene sind auch Ladeinfrastruktur, Industrienetze, Großwärmepumpen, Batteriespeicher, Elektrolyseure oder Windkraftanlagen. Denn höhere Systemspannungen ermöglichen neben erheblichen Material-, Kosten- und Flächeneinsparungen auch völlig neue Systemarchitekturen regenerativer Hybridkraftwerke, deren Einzelbausteine über die Mittelspannung miteinander verknüpft sind.

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