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EU plant „Renovierungswelle“


  

(18.10.2020) Am 14. Oktober 2020 hat die Europäische Kommission ihre Strategie für eine „Renovierungswelle“ zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden veröffentlicht. Die Kommission beabsichtigt, ...

  • die Renovierungsquote in den nächsten 10 Jahren mindestens zu verdoppeln und
  • durch Renovierungen für mehr Energie- und Ressourceneffizienz zu sorgen.

Dies soll dazu beitragen, ...

  • die Lebensqualität der Menschen, die in diesen Gebäuden leben und sie nutzen, zu verbessern,
  • die Treibhausgasemissionen in Europa zu verringern,
  • die Digitalisierung zu fördern und
  • mehr Werkstoffe wiederzuverwenden und zu recyceln.

Bis 2030 könnten 35 Mio. Gebäude renoviert und bis zu 160.000 zusätzliche grüne Arbeitsplätze im Baugewerbe geschaffen werden - erwartet die Kommission.

Zur Erinnerung: Auf Gebäude entfallen ca. 40% des Energieverbrauchs in der EU und 36% der durch den Energieverbrauch bedingten Treibhausgasemissionen. Derzeit wird aber jedes Jahr lediglich 1% des Gebäudebestands durch Renovierungen energieeffizienter. Somit ist es wichtig, dass wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Fast 34 Mio. Europäer sollen es sich zudem nicht leisten können, ihre Wohnung zu heizen. Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz dienen daher auch zur Bekämpfung von Energiearmut. Sie wirken sich positiv auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen aus und helfen dabei, die Energierechnungen niedrig zu halten.

Maßnahmen in drei Bereichen haben in diesem Kontext Priorität:

  • Dekarbonisierung der Wärme- und Kälteerzeugung,
  • Bekämpfung von Energiearmut und
  • Maßnahmen für Gebäude mit der geringsten Energieeffizienz sowie Renovierung öffentlicher Gebäude (Schulen, Krankenhäuser, Verwaltungsgebäude usw.).

Die Kommission schlägt vor, die in der gesamten Renovierungskette - von der Planung und Finanzierung eines Projekts bis zu dessen Fertigstellung - bestehenden Hindernisse durch eine Reihe von Instrumenten in den Bereichen Finanzierung und technische Unterstützung zu beseitigen. Die Strategie soll dazu folgende Leitaktionen enthalten:

  • Strengere Vorschriften, Standards und Informationen in Bezug auf die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, um Renovierungen im öffentlichen und privaten Sektor attraktiver zu machen. Darunter fallen auch die schrittweise Einführung verbindlicher Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz bestehender Gebäude, aktualisierte Vorschriften für Energieeffizienzausweise und eine etwaige Ausweitung der Renovierungsanforderungen für den öffentlichen Sektor.
      
  • Gewährleistung einer leicht zugänglichen und gezielten Finanzierung, u.a. durch die europäischen Vorzeigeprojekte „Renovieren“ und „Vorantreiben“, die in der Aufbau- und Resilienzfazilität im Rahmen von NextGenerationEU vorgesehen sind, vereinfachte Regeln für die Kombination verschiedener Finanzierungskanäle und vielfältige Anreize für private Finanzierungen.
      
  • Ausbau der Kapazitäten für die Vorbereitung und Durchführung von Renovierungsprojekten. Dies reicht von der technischen Unterstützung der nationalen und lokalen Behörden bis hin zu Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zugunsten von Beschäftigten, die die neuen „grünen Arbeitsplätze“ ausfüllen.
      
  • Ausweitung des Marktes für nachhaltige Bauprodukte und -leistungen - darunter fallen die Integration neuer Werkstoffe und naturbasierte Lösungen sowie die Überarbeitung der Rechtsvorschriften über die Vermarktung von Bauprodukten und Zielvorgaben für Wiederverwendung und Verwertung.
      
  • Ein neues europäisches Bauhaus, ein interdisziplinäres Projekt, dem ein Beratungsgremium aus externen Sachverständigen aus Wissenschaft, Architektur, Design, Kunst, Planung und Zivilgesellschaft vorstehen wird. Bis Sommer 2021 wird die Kommission einen breit angelegten, partizipativen Prozess zur gemeinsamen Gestaltung einleiten, bevor sie ein Netz von fünf Gründungs-Bauhäusern im Jahr 2022 in verschiedenen EU-Ländern einrichtet.
      
  • Entwicklung von stadtteilbezogenen Konzepten für lokale Gemeinschaften, um auf erneuerbaren Energien und Digitalisierung basierende Lösungen zu integrieren und Bezirke mit ausgeglichener Energiebilanz zu schaffen, in denen die Verbraucher zu Prosumenten werden, die Energie an das Netz verkaufen. Die Strategie umfasst auch eine für 100 Bezirke ausgelegte Initiative für bezahlbaren Wohnraum.

Im Zuge der für Juni 2021 vorgesehenen Überprüfung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie wird erwogen, den Vorgaben für die Wärme- und Kälteerzeugung aus erneuerbaren Quellen einen höheren Stellenwert zu geben und ein Mindestniveau an Energie aus erneuerbaren Quellen in Gebäuden einzuführen. Die Kommission will auch prüfen, wie die Haushaltsmittel der EU neben den Einnahmen aus dem EU-Emissions­han­dels­system (EU-EHS) zur Finanzierung nationaler, auf einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen zugeschnittener Energieeffizienz- und Energiesparprogramme eingesetzt werden könnten. Der Ökodesign-Rahmen wird weiterentwickelt, damit effiziente, gebäudegerechte Produkte auf den Markt gebracht und ihre Verwendung gefördert werden.

Neue europäische Ästhetik

Bei der „Renovierungswelle“ geht es aber nicht nur darum, den vorhandenen Gebäudebestand energieeffizienter und klimaneutral zu gestalten. Sie kann eine umfassende Veränderung unserer Städte und der baulich gestalteten Umwelt auslösen. Sie kann eine Chance sein, einen zukunftsorientierten Prozess einzuleiten, mit dem Nachhaltigkeit und Ästhetik in Einklang gebracht werden.

Wie Präsidentin von der Leyen angekündigt hat, will die Kommission mit einem neuen europäischen Bauhaus eine neue europäische Ästhetik fördern, die Funktion und Erfindergeist miteinander vereint. Wir wollen dafür sorgen, dass eine lebenswerte Umgebung für niemand ein Luxus ist sowie Leistbarkeit und künstlerischer Anspruch in einer nachhaltigen Zukunft wieder in Einklang bringen.

Bauindustrie nicht sicher, ob die Maßnahmen ausreichen

„Mit den Plänen der EU-Kommission könnten in Europa bis 2030 ca. 35 Mio. Gebäude renoviert und somit 160.000 zusätzliche Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft geschaffen werden. Das ist ein gutes Signal für die Bauwirtschaft in Zeiten von Corona,“ kommentierte Dieter Babiel, Hauptgeschäftsführer der Bauindustrie die „Renovierungswelle“. „Zugleich ist es ein wichtiger Schritt, damit die EU ihre klimapolitischen Ziele erreichen kann. Das wird ohne deutliche Anstrengungen im Gebäudesektor nicht funktionieren.“ Die Verknüpfung wirtschaftlicher Anreize mit den Zielen des Klimaschutzes sei richtig, um nachhaltig zu investieren.

Allerdings sei es aus Sicht der Bauindustrie fraglich, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen wirklich ausreichen, um die fällige Umorientierung der europäischen Gebäudewirtschaft in Richtung Energieeffizienz zu bewirken. „Wir haben in den letzten Jahren bereits Milliarden an Fördermitteln ausgeschüttet, ohne dass die Sanierungsrate auch nur annähernd in den erforderlichen Bereich gebracht werden konnte", so Babiel weiter. "Offenbar sind die Hemmnisse für Gebäudebesitzer nicht flächendeckend überwunden.“

Vor diesem Hintergrund sei eine grundsätzlich andere Herangehensweise erforderlich: „Gebäudesanierung muss eine leicht erhältliche und leicht umsetzbare Maßnahme werden“, betonte Herr Babiel. Unter dem Stichwort „Serielles Sanieren“ müssten Konzepte entwickelt und dafür Förderprogramme umgestrickt werden in Richtung Industrieförderung. „Wir müssen die Kleinteiligkeit der Umsetzung überwinden, wenn wir signifikante Erfolge erzielen wollen.“ Hier müssten endlich wirksame, Bauindustrielle Konzepte mit umfassenden Servicepaketen vorangetrieben werden. Bislang seien Förderprogramme zu sehr auf Objektförderung am Einzelgebäude ausgerichtet und überwänden nicht das Hemmnis aufwändiger und kleinteiliger Individualmaßnahmen. Ergänzend müsse die Förderstruktur auf neue, einfach anwendbare serielle Herangehensweisen ausgerichtet werden. Ein systematisches Industrieförderprogramm würde entsprechende Angebotsstrukturen schaffen.

Baugewerbe fordert Praxistauglichkeit und Wirtschaftlichkeit ein

Auch Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, reagierte: „Es ist richtig, dass die EU-Kommission den Gebäudesektor ins Zentrum der Debatte um ein klimaneutrales Europa bis 2050 rückt. Eine höhere Sanierungsquote im Gebäudebestand wird einen wichtigen Beitrag leisten, damit Europa langfristig seine Klimaziele erreicht. Wir begrüßen daher, dass die Kommission mit weiteren Investitionsmitteln die Gebäudesanierung ankurbeln will.“

Allerdings befürchtet Herr Pakleppa, dass die besten Vorsätze ins Leere laufen, wenn sie sich nicht praktisch umsetzen lassen. Die Anforderungen an die energetische Modernisierung von Gebäuden müssten praxistauglich und wirtschaftlich gerechtfertigt sein. Überzogene Auflagen würden die Nachfrage hemmen und wären damit kontraproduktiv. Er forderte die Kommission auf, sich bei der Entwicklung der Mindeststandards mit Augenmaß an der tatsächlichen Baupraxis zu orientieren.

Für Haus & Grund „unbezahlbarer Irrweg“

Als unbezahlbaren Irrweg bezeichnete der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland die geplante Renovierungswelle für Gebäude: „Die EU verspricht Arbeitsplätze, Wachstum sowie ein behagliches Zuhause und erschwingliche Energierechnungen für jeden. Nichts davon wird dieser europäische Sanierungszwang erreichen“, glaubt Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke. Die Kommissionspläne würden allerdings die Wohnkosten massiv in die Höhe treiben und die Investitionen in klimapolitisch nicht sinnvolle Verwendungen lenken. Außerdem sei dieses Konzept nicht mit den bisherigen Maßnahmen, wie der CO₂-Bepreisung, vereinbar. „Es wird deutlich, dass von der Leyen weder von Energiewende im Gebäudebestand noch von der aktuellen Gesetzeslage der EU auch nur rudimentäre Kenntnisse hat“, so Warnecke.

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