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Das erste von vier Leitthemen der BAU 2021: Herausforderung Klimawandel


  

(24.5.2020) Vier Leitthemen sollen bei der BAU 2021 den Takt vorgeben und Ordnung in die Produktvielfalt bringen. Viele Aussteller wollen ihre Präsentationen danach ausrichten. Auch in den geplanten Sonderschauen und Messeforen sollen die Leitthemen unter verschiedenen Aspekten präsentiert, erörtert und diskutiert werden.

Corona versus Klimawandel?

Der Klimawandel scheint im Zuge der Corona-Pandemie in den Hintergrund gerückt zu sein - raus aus dem öffentlichen Bewusstsein. Allerdings schärft die COVID-19 Epidemie die Sinne. Sie macht deutlich, dass man Vorkehrungen treffen muss, um von einer Entwicklung nicht völlig überrollt zu werden. Das gilt eben auch und mehr denn je für den Klimawandel.

Um dem menschengemachten Klimawandel Einhalt zu gebieten, ist insbesondere auch die Baubranche gefragt, Lösungen zu finden. Gut, wenn sich Ingenieure, Verarbeiter und kreative Köpfe zusammentun. Sie alle müssen eine Formel finden, die bei der Realisierung von Gebäuden und Städten Klimaneutralität anstrebt. Die Zutaten lauten ...

  • Energieeffizienz,
  • Recycling,
  • Nachwachsen und
  • Resilienz.

Die Wissenschaft ist sich weltweit einig: Gewitter, Orkane, Überschwemmungen oder Dürren sind das Wetter der Zukunft - es sei denn, es gelingt, die Erderwärmung um deutlich weniger als 2°C gegenüber dem vorindustriellen globalen Temperaturniveau zu begrenzen. Dieses Ziel schrieben die Vereinten Nationen 2015 im Pariser Klimaabkommen fest. Zunächst mit wenig Erfolg. Erst Ende 2019 löste sich die festgefahrene Situation auf. Das Europäische Parlament rief den Klimanotstand aus und Deutschland einigte sich gemeinsam mit seinen europäischen Partnern auf ein Verfahren, in Europa den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um mindestens 40% gegenüber 1990 zu verringern. Dazu vereinbarten die Europäer verbindliche Ziele, die bis 2030 erreicht werden müssen; allen voran das Ziel der Netto Nullemissionen bis 2050 in Europa. Höchste Zeit für die Realisierungsphase!

Emissionsminderung

Die Baubranche brachte zwar in den letzten Jahrzehnten viele Innovationen im energieeffizienten Planen und Bauen auf den Weg, gleichzeitig verantwortet der Gebäudesektor aber rund 14% der gesamten CO₂-Emissionen in Deutschland. (Eigentlich sind es wohl sogar 28%, denn weitere Emissionen entstehen bei der Herstellung von Strom und Fernwärme oder von Baustoffen).

Mit Hilfe bestehender Instrumente wie der EnEV oder KfW-Förderprogrammen werden zwar im Jahr 2030 einschlägige Emissionsminderungen erwartet - was aber wohl nicht ausreichen wird, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Die Bundesregierung geht derzeit von einer Ziellücke von rund 20 Mio. Tonnen CO₂ pro Jahr aus. Diese soll durch einen Mix aus verstärkter Förderung, Information und Beratung, durch die Bepreisung von CO₂ sowie durch Ordnungsrecht geschlossen werden. Dazu gehören diverse Förderungen - beispielsweise für energetische Gebäudesanierungsmaßnahmen, Erneuerungen von Heizanlagen oder Energieberatung. Einzelne Objekte stehen dabei nicht mehr allein im Fokus der Förderungen, inzwischen gibt es Zuschüsse für energetische Stadtsanierungen aus einem gleichnamigen Förderprogramm. Diese betrachten Gebäude im Kontext ihrer Umgebung, alle zusammen bilden ein energieeffizientes Quartier. Energie-Defizite des einen werden mit Überschüssen der Nachbarn ausgeglichen.

Regenerative Energie – Vorbild Skandinavien

Das norwegische Architekturbüro Snøhetta realisierte im Jahr 2019 in Trondheim mit dem Powerhouse Brattørkaia solch einen Gebäudetypus. Die mit PV verkleidete Gebäudehülle produziert trotz der Lage im hohen Norden Energie im Überschuss und deckt damit einerseits seinen täglichen Eigenbedarf und versorgt andererseits die nahe gelegenen Gebäude und angebundene Verkehrsmittel wie Elektrobusse, Autos und Boote über ein lokales Mikro-Netzwerk. Sicher keine konzeptionelle Eintagsfliege, wenn man bedenkt, dass auch in Deutschland in den letzten Jahren die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen stark gestiegen ist. Neben günstigeren Preisen für solche Anlagen gefällt den Bauherren vor allem die Idee, den selbst erzeugten Strom auch selbst zu nutzen und gespeicherte Energie dank der hoch entwickelten Lithium-Ionen-Akkus E-Mobilitäts-Angeboten zur Verfügung zu stellen.

Abfallreduzierung dank alternativer Baustoffe

560 Mio. Tonnen – und somit 90% - aller in Deutschland verwendeten mineralischen Rohstoffe werden jedes Jahr zur Herstellung von Baustoffen eingesetzt. Zugleich ist die Branche an 54% des Abfallaufkommens beteiligt, so rechnet es die Deutsche Bundesstiftung Umwelt vor. Und global betrachtet ist die Zementherstellung für mehr CO₂-Emissionen verantwortlich als der gesamte Luftverkehr.

Die Wahl des Baumaterials spielt also eine große Rolle angesichts des enormen Rohstoffverbrauchs. Neben Beton, Stahl, Glas, Mauerwerk oder Holz reihen sich künftig zahlreiche neue Namen ein wie zum Beispiel Typhaboard, ein Baustoff aus Rohrkolben und mineralischem Bindemittel. Er ist vollständig kompostierbar und eignet sich für tragende und dämmende Wandelemente. Daran forscht gerade die Fraunhofer-Allianz Bau - siehe auch Beitrag „Natur-Dämmstoff aus Typha (Rohrkolben) druckstabil und schimmelresistent“ vom 3.2.2014. Ebenso unter der Forscher-Lupe liegen sogenannte „Phase Change Materials“ (PCM) auf Basis von Zuckeralkoholen für Latentwärmespeicher oder Bio-Hybrid-Faserverbundkunststoffe u.v.m.

Von Urban Mining bis Carbonbeton

Auch im schweizerischen Dübendorf werden bereits innovative Materialien in der Praxis getestet. 2016 ließ dort die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt ein viergeschossiges Forschungsgebäude errichten. NEST heißt es (Next Evolution in Sustainable Building Technologies) und es beherbergt unter anderem das Modul UMAR, das unter der Federführung von Prof. Werner Sobek zusammen mit Dirk Hebel und Felix Heisel geplant wurde. UMAR steht für Urban Mining and Recycling. Das bewohnte Modul ist das erste Gebäude überhaupt, das abgesehen von der tragenden Holzkonstruktion vollständig aus Rezyklaten besteht.

Ebenfalls als Experimental-Gebäude konzipiert, entsteht Ende 2020 das erste Carbon­beton-Haus in Dresden. Bei der Carbonbauweise ersetzen Carbongitter die Stahlarmierung. Carbonbeton gilt als langlebiger, fester und leichter als Stahlbeton und könnte die Architektur revolutionieren: Da Carbon nicht rostet, sind keine dicken Betonschichten notwendig wie beim Stahlbeton, was natürlich Ressourcen spart, filigranes Bauen ermöglicht und zu weniger Energieverbrauch und geringerem Kohlendioxidfreisetzung in der Zementproduktion führt - siehe auch Beitrag „Carbonbeton C³ verspricht schlanke, korrosionsbeständige, nachhaltige Konstruktionen“ vom 10.11.2015.

Resilienz: Der optimale Umgang mit Veränderungen

Während Architekten und Stadtplaner in den letzten Jahrzehnten vorwiegend über die Realisierung energieeffizienter Gebäude diskutierten, fordern sie nun immer mehr die Realisierung von resilienten Bauwerken und Städten ein.

Per Definition ist mit Resilienz die Kapazität eines Systems gemeint, mit Veränderungen umzugehen und sich weiterzuentwickeln, wenn externe Störungen einwirken wie Naturkatastrophen oder Temperaturänderungen. Je mehr Störungen ein System aushält und je einfacher es sich neuen Bedingungen anpasst, als desto resilienter gilt es. Architekt und Stadtplaner Thomas Sieverts fasste Merkmale für resiliente Bauweisen zusammen: darunter technische Redundanz, einfache Austauschbarkeit und Dezentralität. Eine vorausschauende Planung jener Aspekte sei daher der beste Weg zur Resilienz am Bau.

siehe auch für zusätzliche Informationen:

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