„Turmbau“ in Ziegelbauweise fürs Business in Landshut
(14.9.2017) Der Baugrund, auf dem der „Businesstower“ von Landshut entstanden ist, war zuvor als der „Schandfleck von Ergolding“ verschrien (siehe Google-Maps). Und so kam Hoffnung auf Besserung auf, als im November 2014 im Landshuter Wochenblatt berichtet wurde, dass die „alte Bruchbude“ abgerissen werden solle und auf dem Grundstück ein „hiesiger Investor“ ein regionales Projekt realisieren wolle - nämlich ein exklusives Geschäftshaus mit außergewöhnlicher Architektur. Jedermann war gespannt auf den neuen „Hingucker“, errichtet von heimischen Handwerkern. Die Bauherren oder die „Turmbauer“, wie Josef und Marion Reif oft in der Presse genannt werden, hielten ihr Versprechen. Unter dem Leitsatz „Aus der Region, für die Region“ entstand ein Gebäude in traditioneller Ziegelbauweise, massiv und energetisch auf dem neuesten Stand der Technik.
alle Fotos © Businesstower / Leipfinger-Bader |
Bekenntnis zum Baustoff Ziegel
Betrachtet man das Gewerbegebiet und den benachbarten Businesstower, so kann man sagen: gegensätzlicher geht's kaum. Den rechteckigen flächenoptimierten Gewerbegrundstücken steht ein knapp über 1.300 m² großes, dreieckiges Grundstück gegenüber. Anstatt scharfkantiger, kostenoptimierter Gebäudegrundrisse wurde eine Dreiecksform mit gerundeten Ecken realisiert. Die Bauherren Josef und Marion Reif nahmen das Projekt in eigene Hände, und mit Anton Ausfelder stellten sie sich einen Planer an die Seite, der als Bautechniker und staatlich geprüfter Maurermeister viel Praxisbezug vorweisen kann. Zudem hat er eine hohe Affinität zum Baustoff Ziegel. Womit der wichtigste Grundsatz der Bauherren genannt ist: Anders als die in Stahlbeton gegossenen Gewerbebauten, war der Businesstower von Anfang an als Ziegelbau geplant.
Dass dieses Bekenntnis zum Ziegel einer kurzzeitigen Amortisation entgegensteht, war allen Beteiligten klar. Andererseits sind sich die Protagonsiten sicher, dass man in den ersten dreißig Jahren keine nennenswerten Renovierungsarbeiten haben werde: „Alle zehn Jahre ein Anstrich – das war`s.“
Das Gebäude zeichnet die Konturen des dreieckigen Grundstückes nach - mit Kantenlängen von 18 bis knapp 25 m. Viergeschossig erreicht es eine Höhe von 18 m - leicht nach innen terrassiert, den geforderten Abstandsflächen gehorchend. Hieraus resultieren um die 200 m² pro Geschoss. Gut 30m² hiervon entfallen auf ein großzügiges Treppenhaus mit Lift sowie die WC-Anlagen. Der Rest ist eine zusammenhängende Bürofläche.
Ringen um jeden Stein
Solch eine weitgespannte Stahlbetondecke kommt in den üblichen Deckenstärken nicht ohne Stützen aus. Stützenfreie Büroräume waren jedoch oberste Priorität - mit dem Resultat, dass die Statik Deckenstärken zwischen 30 und 40 cm erforderte. Und hier beginnt der Kampf zwischen Ziegel, Stahlbeton und dem Stahl selbst, denn solche Lasten können auch von einem hoch druckfesten Mauerwerk nur schwer abgefangen werden - so es schlank ausgeführt werden soll und großzügige Fensterformate eingeplant sind. Im Sinne dieser Lösung wurde seitens der Bauherren mit dem Statiker „um jeden Stein gerungen“, wie Josef Reif rückblickend feststellt.
Mauerwerk bestimmt Konstruktion
Flüchtig betrachtet ruht die Decke auf einem 36,5 cm starken Ziegelmauerwerk, beidseitig mit Kalkputz und diffusionsoffenen Anstrichen versehen. Dennoch war es unumgänglich, einige wenige Wandscheiben in Stahlbeton auszuführen. Auch verstecken sich einzelne massive Stahlstützen, Unter- sowie Oberzüge im Außenmauerwerk. Anders wären die großformatigen Fensterflächen und die stützenfreie Deckenkonstruktion nicht möglich gewesen.
Das Ziegelmauerwerk besteht aus dem Unipor WS10 Coriso von Leipfinger-Bader. Dank seiner rein mineralischen Dämmstoff-Füllung erreicht er einen Wärmeleitwert (λ) von 0,10 W/mK und ermöglicht so das Bauen nach Niedrigenergiestandard. Der Druckfestigkeitsklasse 12 ist es u.a. zu verdanken, dass der Großteil des Außenmauerwerkes aus Mauerziegeln bestehen kann. Mit guten Schallschutzwerten von bis zu 52,2 Dezibel meistert das Mauerwerk zudem den Lärm der beiden anliegenden Verkehrsstraßen - siehe auch Beitrag „Leipfinger-Bader erhält Zulassung für gefüllten Geschossbau-Mauerziegel“ vom 29.6.2010.
Kurvenkünstler
Auch wenn man es selten sieht und gedanklich zumeist gerade und orthogonal denkt: Ziegelsteine können als modulare Bausteine auch Kurven. Dreidimensional verformte Wandscheiben sind sicher eine Domäne des Stahlbetons. Gerundete Ecken und in leichtem Schwung geführte Mauerwerke jedoch gehören dem Ziegel. Einen guten Handwerker vorausgesetzt, sind solche Vorgaben wirtschaftlich umsetzbar - ohne die Vorteile des natürlichen Baustoffes einzubüßen:
- Im Gegensatz zur geraden Wand müssen zwar auch die Stoßfugen verfüllt werden.
- Dank hochwärmedämmender Leichtmörtel der Klasse LM 21 entstehen energetisch jedoch keine Nachteile.
Energieeffizient, umweltschonend, nachhaltig, erfolgreich
Mit Baukosten von knapp drei Millionen Euro wurde keinesfalls die Billigschiene bedient. Doch keinerlei Reklamationen, eine Vollvermietung bereits vor Baufertigstellung sowie eine Warteliste für Mietinteressenten geben diesem Konzept recht. So beziehen die Mieter ein Gebäude mit hohem Bekanntheitsgrad, hochwertiger Ausstattung, klebstofffrei verlegten Vinylböden, LED-Beleuchtung und idealem Raumklima. Der größte Risikofaktor einer Kalkulation - permanenter Mieterwechsel und Leerstand - wurde damit vermieden.
Klima ohne Anlage
Für eine energetisch positive Energiebilanz des Gebäudes sorgt neben den hochwärmedämmenden Mauerziegeln auch die Dreifachverglasung der Fenster. Eine Gastherme mit Niedrig-Brennwertgerät sowie eine energieeffiziente Fußbodenheizung tragen ebenso dazu bei. Das Zusammenspiel von Ziegeln, Putz und Farbe in Verbindung mit einer gesteuerten Beschattung sowie einer i-Tec-Fensterrahmen-Lüftung funktioniert so gut, dass keine Klimaanlage erforderlich ist - siehe Baulinks-Beitrag „,I-tec‘-Fenster: Verdeckte Verriegelung, integrierte Lüftung, energieautarke Beschattung“ von 28.3.2012.
Dennoch wurden die Leitungen für Kondenswasser und Stromanschluss verlegt, um einen späteren Einbau in den jeweiligen Stockwerken zu ermöglichen. Damit die Beschattung durchgängig zur Reduzierung der Kühllasten genutzt werden kann, wurde diese auf eine Windfestigkeit von 80 km/h ausgelegt.
Bautafel:
- Bauzeit: ca. 2 Jahre, beginnend im März 2015
- Grundstücksfläche: ca. 1.150 m²
- Nettobürofläche: ca. 840 m²
- Gebäudeaußenmaße: ca. 24,5 | 20,0 | 18,0 m
- Gebäudehöhe: ca. 18 m
- Baukosten: 3 Millionen Euro
- Bauherr/Planer: Josef und Marion Reif
- Begleitender und verantwortlicher Planer:
Anton Ausfelder
Untere Hauptstraße 5, 85406 Oberappersdorf
Weitere Informationen zu Geschossbau-Mauerziegeln können per E-Mail an Unipor angefordert werden.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Monolithisches Ziegelmauerwerk punktet in hochpreisigen Ballungsgebieten (6.10.2020)
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- Über die Mär der „atmenden Wände“ (6.7.2016)
- Unipor W07 Silvacor: Der Mauerziegel mit Holzfaser-Füllung bei Leipfinger Bader verfügbar (4.7.2016)
siehe zudem:
- Wandbaustoffe im Rohbau-Magazin sowie Gewerbebau im Fertigbau-Magazin bei Baulinks
- Literatur / Bücher über Gewerbebau bei Baubuch / Amazon.de