Bericht von der Tagug „Fassade14“: Fassade und Sonderanforderungen
(10.3.2014) Die Fassade unter Beanspruchung zahlreicher Sonderanforderungen stand im Fokus der diesjährigen Fassadentagung, die am 27. Februar 2014 in der Handwerkskammer für Schwaben stattfand. Jürgen Schmid, Präsident der Handwerkskammer, Prof. Dr. Hans-Eberhard Schurk, Präsident der Hochschule Augsburg, sowie Hans Zimmermann, 1. Vorsitzender des UBF e.V. begrüßten die zahlreichen Gäste. „Ausverkauftes Haus“, freute sich Schmid mit Blick in das bis auf den letzten Platz besetzte Auditorium. Prof. Dr. Elisabeth Krön sowie Prof. Dr. Armin Schwab, beide vom Institut für Bau und Immobilie der Hochschule Augsburg, hatten die Tagung konzipiert und führten die Gäste durch das Tagungsprogramm.
Querschnitt durch realisierte Projekte, Forschung und Entwicklung, Normung und Baurecht
Aldrik Lichtwark, kadawittfeldarchitektur, stellte zum Auftakt der Veranstaltung in einem Projektbericht die Hülle des Hauptbahnhofs Salzburg vor. Lichtwark führte aus, dass die denkmalgeschützte Fachwerkkonstruktion des Bahnhofs erhalten und geschützt, die historische Halle aber zugleich für eine zeitgemäße Nutzung erneuert werden sollte. Erreicht wurde dies mit dem Einbau weitgespannter Dachbänder, Folienkissendächern sowie einer Membrane als Dacheindeckung:
Bild aus dem Beitrag „Folienkissen
ergänzen historische Gleisüberdachung in Salzburg“ vom
4.12.2013
Lichtwark stellte eine Reihe von Sonderanforderungen vor, die von den Fassaden und Dächern zu erfüllen waren, wie zum Beispiel hohe Schneelasten, Schwingungseffekte oder spezielle Brandschutzanforderungen.
Brandschutzingenieur Lutz Battran, Versicherungskammer Bayern, erläuterte die Umsetzung bauaufsichtlicher Brandschutzanforderungen an der Fassade. Battran zitierte die Schutzziele für Fassaden aus der Bayerischen Bauordnung:
- Bei tragenden Komponenten sei das Schutzziel, die Standsicherheit des Gesamttragwerkes nicht zu gefährden.
- Bei nichttragenden Komponenten seien die Schutzziele zum einen die Vermeidung einer großflächigen Brandausbreitung über die Fassade. Zum anderen solle verhindert werden, dass der zweite Rettungsweg über Leitern an der Außenwand unpassierbar wird.
Battran erläuterte praktische Umsetzungen am Beispiel von Vorhangfassaden, geschossübergreifenden Konstruktionen, hinterlüfteten Außenwandkonstruktionen und Wärmedämmverbundsystemen.
Video aus dem Beitrag „'FeuerBlock'-Brandriegel verspricht bereits Brandschutz in der Bauphase (30.5.2013, Thumbnails für eine schnelle Inhaltsübersicht) |
Prof. Dr. Hans Ruscheweyh, Ruscheweyh Consult GmbH, referierte über Windlasten und Windcharakteristiken an Fassaden sowie über Belüftung und Regenschutz von Doppelfassaden. Mit dem Windcharakteristik-Verfahren stellte Ruscheweyh ein Prinzip vor, das die Windgeschwindigkeit an verschiedenen Stellen der Fassade ermittelt und es damit ermöglicht, die Steuerung von außenliegendem Sonnenschutz entsprechend zu verfeinern.
Trends bei Normung und Prüfung sicherheitsrelevanter Anforderungen an Fassaden waren Thema des Vortrages von Prof. Ulrich Sieberath, Leiter des ift Rosenheim. Sieberath umriss unter anderem die Inhalte der überarbeiteten DIN EN 13830. So würden u.a. Doppelfassaden in die Produktnorm aufgenommen und eine Definition für ähnliche Bauarten eingeführt.
Dr.-Ing. Daniel Pfanner, Bollinger + Grohmann Ingenieure, berichtete über Gebäudehüllen mit besonderen Anforderungen. In der Deichmann Bibliothek in Oslo/Norwegen beispielsweise sollte durch die Fassade zum einen besonders viel Tageslicht in das Gebäudeinnere dringen, zum anderen die Besucher und die bibliophilen Werke aber auch vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt sein. Erreicht wird dieses Ziel mit einer Triple-Skin-Fassade, aufgebaut aus ...
- einer äußeren Schutzhülle,
- einer thermischen Mittelschicht sowie
- der Innenhülle, die wie ein Vorhang funktioniert und das Tageslicht zerstreut.
Erwin Schöffendt, Hilti Deutschland AG, stellte in seinem Vortrag das Vorgehen bei Anwendung und Bemessung von Dübeln unter seismischer Beanspruchung vor, also bei Belastungen, die bei einem Erdbeben auftreten. Er machte dabei auf die Notwendigkeit seismischer Bemessung bei internationalen Projekten aufmerksam und betonte, dass Sicherheit nur dann gewährleistet ist, wenn im Planungsprozess auch die Dübel entsprechend bemessen werden.
Über praktische Erfahrungen mit sprengwirkungshemmenden Fassaden berichtete Franz Heger, Josef Gartner GmbH, Gundelfingen. „Eine Fassade muss die Schockwellenenergie durch Bewegung oder permanente Verformung ihrer Hauptkomponenten absorbieren und ableiten“, hielt Heger als Anforderung an die Fassade hinsichtlich Explosionsschutz fest. Anhand von Videos demonstrierte er die Prüfung von Fassaden auf einem Versuchsgelände in den USA, wo vor den Testfassaden Bomben gezündet und deren Auswirkungen untersucht werden.
Prof. Dr.-Ing. Christian Schuler, Hochschule München, war kurzfristig in Vertretung für Prof. Dr.-Ing. Ömer Bucak angereist. Er stellte sein Spezialgebiet „Schäden, Forschung, Qualitätskontrolle thermisch vorgespannter Glasscheiben mittels spannungsoptischer Methoden“ vor. Schadensursachen an ebenen und gebogenen vorgespannten Glasscheiben kommt er mit Hilfe von Polarisationsfiltern auf die Spur.
Zur Tagung erschien ein Tagungsband, der die Vorträge bzw. Textbeiträge der Referenten enthält. Der Tagungsband „Fassade14 – Fassade und Sonderanforderungen“ kann beim Institut für Bau und Immobilie käuflich erworben werden - nähere Infos dazu gibt es per E-Mail an IBI, Hochschule Augsburg.
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Brandschutz hinterlüfteter Zinkfassaden (28.5.2012)
siehe zudem: