Urinseparierung als Chance für die Abwasserreinigung
(2.12.2008) Obwohl Urin nur 1% des Abwasservolumens ausmacht, enthält er 50 bis 80% aller Nährstoffe. Diese müssen mit viel Aufwand in Kläranlagen entfernt werden. Bleibt das aus, bedroht Überdüngung die Gewässer - namentlich die küstennahen Meere und ihre Fischbestände. Auch viele Problemstoffe, wie Medikamentenreste oder hormonaktive Substanzen, gelangen über den Urin ins Abwasser und teilweise in die Umwelt. Das Wasserforschungs-Institut Eawag zeigt nun, dass die separate Sammlung und Behandlung von Urin für den Gewässerschutz und das Recycling von Nährstoffen weltweit entscheidende Beiträge leisten könnten. Die "NoMix-Technologie" wird damit zur Chance für die Siedlungswasserwirtschaft.
Gewinn für den Gewässerschutz
Die Umweltbehörde der Vereinigten Nationen warnt: "Die Fischbestände werden in Zukunft durch Nährstoffe mehr bedroht als durch Überfischung." Gelangen zu viele Nährstoffe, vor allem Stickstoff und Phosphor, in die Gewässer, führt dies zu übermäßigem Algenwachstum und zu Sauerstoff freien Zonen, namentlich in küstennahen Meeren. Weltweit werden nur 6% des Stickstoffs aus dem menschlichen Stoffwechsel in Kläranlagen entfernt. Außerdem ist diese Elimination der Nährstoffe sehr aufwändig. Das Eawag-Projekt zeigt: Wenn Urin separat gesammelt und behandelt wird, kann dieser Aufwand reduziert werden. Statt auf die Nährstoffe, kann das Augenmerk auf die Elimination anderer Problemstoffe gerichtet werden und es stehen Mittel für Maßnahmen auf Haushalts- oder Quartierebene zur Verfügung. Das Abwassersystem als Ganzes wird flexibler und effizienter, vor allem auch energieeffizienter.
Inwieweit sich der Aufwand für die Einführung der NoMix-Technologie in der Schweiz oder in anderen Ländern lohnt, wo Kanalisation und Kläranlagen weitgehend ausgebaut sind, muss sich zeigen. In Ländern, in denen das Abwasser kaum in Kläranlagen gereinigt wird, ist die NoMix-Technologie aber sicher eine nachhaltige Alternative und Ergänzung zum Auf- und Ausbau von Kläranlagen. Das gilt ganz besonders für die weltweit stark wachsenden Großstädte in Küstennähe.
In einem Pilotprojekt in Zürichs Partnerstadt Kunming/China hat die Eawag die Situation geprüft: Heute gelangen dort jährlich fast 2000 Tonnen Phosphor in den Dianchi-See. Einst das Trinkwasserreservoir der Stadt, ist er stark verschmutzt und überdüngt. Natürlich verkraften könnte der See nur 60 Tonnen Phosphor pro Jahr. Die nötige Reduktion kann mit einer Fortsetzung der "End-of-pipe"-Strategie selbst mit einem immensen Ausbau der Kanalisation und modernen Kläranlagen nicht erzielt werden. Maßnahmen an der Quelle - wie die Urinseparierung - seien daher unumgänglich. Nicht zuletzt kann die separate Sammlung von Urin auch Wasser sparen, weil nicht jeder Liter Urin mit mehr als 20 Litern (Trink)wasser verdünnt werden muss. Wasserlose Urinale benötigen gar kein und manche NoMix-WCs sehr wenig Spülwasser fürs kleine Geschäft.
Urin statt Kunstdünger
Novaquatis hat verschiedene Verfahren zur Urinaufbereitung getestet. Je nach gewünschtem Ziel können sie flexibel eingesetzt werden. Ideal wären Verfahren, die gleichzeitig ein Recycling der Nährstoffe als Dünger erlauben und problematische Mikroverunreinigungen entfernen. So kann die Fällung mit Magnesium 98% des Phosphors zurückgewinnen. Das Produkt - "Struvit", MgNH4PO4 - ist ein attraktiver Dünger und frei von Pharmazeutika oder Hormonen. Weitere Möglichkeiten, die Nähr- von den möglichen Schadstoffen zu trennen, sind Nanofiltration oder Elektrodialyse. Die Kombination von Elektrodialyse und Ozonierung wird vom Kanton Baselland (Amt für Industrielle Betriebe) eingesetzt, um den Urin aus der Kantonsbibliothek in Liestal aufzubereiten. Der Dünger aus diesem von der Eawag begleiteten Pilotprojekt wurde 2006 vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) erfolgreich mit Silomais getestet: Er schnitt ähnlich gut ab wie künstlicher Mineraldünger und deutlich besser als Gülle oder organische Handelsdünger. Nährstoffe aus dem menschlichen Urin könnten in der Schweiz mindestens 37% des Stickstoff- und 20% des Phosphorbedarfs ersetzen, die heute durch importierten Kunstdünger gedeckt werden.
Akzeptanz ist hoch
Die NoMix-Technologie wird von der Schweizer Bevölkerung positiv aufgenommen. 70 bis 80% der Befragten finden die Urinseparierung eine gute Idee und über 80% wären bereit, in eine Wohnung mit einem NoMix-WC zu ziehen. Die Benutzerinnen und Benutzer der NoMix-Toiletten zeigen sich bereit, ihr Verhalten anzupassen. Zum Beispiel müssen sich Männer auch für das "kleine Geschäft" setzen, damit die Urinseparierung funktioniert. Allerdings dürfe der Wartungs- und Reinigungsaufwand nicht größer sein, als für eine herkömmliche Toilette - eine Bedingung, die mit den heute erhältlichen Modellen noch nicht erfüllt ist. Drei Viertel der Befragten würden mit Urindünger produziertes Gemüse kaufen. Von den befragten Landwirten halten 57% den Urindünger für eine gute Idee.
Knackpunkte: Ausfällungen und Urin-Transport
Das NoMix-WC funktioniert nach einem einfachen Prinzip: Was im hinteren Teil der Toilette anfällt, wird wie bisher mit Wasser in die Kanalisation gespült. Im vorderen Teil der Schüssel wird Urin aufgefangen und mit wenig oder ohne Spülwasser in einen lokalen Speichertank abgeleitet. Hier beginnen jedoch zwei Schwierigkeiten der NoMix-Technologie:
- Was hilft gegen die ausfallenden Salze, welche schon nach wenigen tausend Benutzungen enge Leitungen und Siphons verstopfen können?
- Und wie gelangt der Urin zum Ort, wo er aufbereitet wird?
Die Eawag hat zu beiden Problemkreisen Lösungen erarbeitet. Erfolg versprechend scheinen dabei vor allem dezentrale Maßnahmen.
Das Problem der verstopften Leitungen könnte angegangen werden mit der Entwicklung von NoMix-WCs, die in einer austauschbaren Einheit direkt im WC die unvermeidlichen Ausfällungen gezielt fördern - ähnlich wie heute schon in einigen wasserlosen Urinalen. Und der Urin-Transport kann umgangen werden, wenn der Urin möglichst nahe an der Quelle aufbereitet wird - in einer einfach zu bedienenden Einheit im Keller oder im WC selbst. Für eine Umsetzung in die Praxis sind jedoch noch weitere Forschung und Entwicklung nötig, immer in Zusammenarbeit mit Abwasserfachleuten und der Sanitärindustrie.
siehe auch für weitere Informationen:
- Novaquatis - Forschungsprojekt zur Urinseparierung
- Eawag, dem Wasserforschungs-Institut des ETH-Bereichs
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siehe zudem:
- Toilette, Klärtechnik, Abwassertechnik, Sanitärtechnik und Sanitärinstallation bei Baulinks
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