Welle(r)-Haus: Architektur als Gesamtkunstwerk und Herausforderung
- Ich glaube, daß jede Architektur, die sich an den Geist wendet, noch immer das Werk eines einzelnen ist. (Le Corbusier)
(2.3.2006) Der erste Eindruck ist verblüffend mehrdeutig, eine manifestierte Lust, Gewohntes neu zu sehen. Statt vor ein "normales" Wohnhaus sieht sich der Betrachter unvermittelt vor ein bemerkenswertes Gesamtkunstwerk gestellt. Schelling hat Architektur mit erstarrter Musik verglichen, das hier vorgestellte "Weller-Haus" erscheint wie eine moderne, atonale Komposition, die die traditionelle Harmonik aufgegeben hat und immer wieder neu interpretiert werden muß. Wenn Kunst zur Lebensform wird, ist Wohnen im Kunstwerk konsequent.
Als Christel und Rainer Weller vor 30 Jahren ein Haus nach ihren Vorstellungen bauen wollten, wünschten sie sich eine offene Form, in der auch "Widerspruch und Gebrochenheit in einem ganzheitlichen Leben ihren Platz finden". Um eine Einheit nach innen und außen zu schaffen, ergänzte der bildende Künstler Martin Heilig als Dritter im Bunde die Gemeinschaft von Architekt Dieter Schmid und Bauherrschaft. Er übernahm die Ausgestaltung der Innenräume, deren Leitmotiv, der Goldfluß, seinen Abschluß erst an der Fassade findet.
Der Architekt hatte in den 1960er Jahren mannigfaltige Erfahrungen im seriellen Bauen gesammelt. Auch das an eine unterbrochene Spirale erinnernde Weller-Haus wurde aus vorgefertigten Serienteilen hergestellt. Die abgewandelten Raster erlauben vielfältig gegliederte Baukörper. Das Dach besteht aus elf seriell, vorgefertigten Bauteilen in den Modulormaßen 0,7 auf 3,66 auf 5,92 Metern, die an der Baustelle auf die Mauern gesetzt wurden. Die unterschiedlich hohen, sich verjüngenden Fertigteile haben versetzte Neigungswinkel. Die fast trapezförmigen Elemente wechseln von konvex zu konkav und bündeln sich in der Mitte des Daches, wo der steil aufragende Schornstein eine Drehachse bildet, auf die der Schwung konzentriert ist. Am Dachrand laufen die Elemente in an Pechnasen erinnernde Schnauzen aus, die das Regenwasser ableiten. Dort, wo die Elemente aneinanderstoßen, füllt ein Blechdach die Lücke.
Abdichtung als Herausforderung
Da am Dach Beton und Blech - Materialien mit unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten - aufeinander trafen, entstand bauphysikalisch ein Spannungsfeld, das eine nachträgliche Abdichtung dieser organisch-amorphen Dachstruktur zwingend erforderlich machte. Zunächst entschied man sich für aufgespritzten PUR-Ortschaum. Dieser sollte auch die Funktion einer Wärmedämmung übernehmen und wurde mit einem silbernen Reflektionsanstrich versehen. Die Maßnahme war nur bedingt erfolgreich. In der Folgezeit kam es beim PUR-Ortschaum zu einer erhöhten Feuchteaufnahme. Auf der Suche nach einer langzeitsicheren Lösung kam Kemperol ins Spiel. Die vollflächig auf dem Untergrund haftende Flüssigabdichtung paßt sich nicht nur wie maßgeschneidert jeder Untergrundform an, sie ist auch dampfdiffusionsfähig. Deshalb konnte 1991 die Abdichtung der kompletten Dachfläche mit Kemperol V 210 direkt auf dem vorhandenen Untergrund erfolgen. Obwohl der PUR-Ortschaum partiell eine Feuchteaufnahme bis zur Sättigung zeigte, war ein Abriß nicht erforderlich. Aus optischen Gründen wurde die Fläche abschließend mit der Colorversiegelung Kemperflex im Farbton rot überarbeitet.
Das Dach als Feuerelement
Im April 2004 erfolgte eine Untersuchung der Dachfläche. Dabei wurden Probestücken entnommen, um die Funktionsfähigkeit der Abdichtung zu überprüfen. Es fanden sich nur durch Luftverschmutzung entstandene Ablagerungen. Ablösungen oder Fehlstellen an den unregelmäßig verlaufenden Dachkanten und Anschlüssen gab es nicht. Der Sachverständige bestätigte: "Der Feuchtegehalt des PUR-Ortschaums ist gegenüber dem zum Zeitpunkt der Ausführung (= Abdichtung mit Kemperol) teilweise gesättigten Zustand deutlich zurückgegangen. Dies zeigt, daß die Dachabdichtung bauphysikalisch eine Austrocknung des PUR-Ortschaums zuläßt und trotz der nicht vorhandenen Dampfsperre auf den Betonfertigteilen bauphysikalisch durch Dampfdiffusion keine Nachteile eingetreten sind."
Zur Farbauffrischung wurde im Sommer 2005 die Dachfläche noch einmal mit der Colorversiegelung Kemperflex überarbeitet. Das kräftige Rot - die machtvolle Farbe des Feuers, das als Element Wärme, Kraft und Aktivität symbolisiert, aber auch geistige Erkenntnis und Transformation - zieht sich hinab bis zum Eingangsbereich, der wie ein Ohr gestaltet ist. Christel Weller: "Unser Haus verkörpert für uns eine Philosophie. Wir leben in einem Umfeld, das uns fordert, Gewohntes immer aufs Neue in Frage zu stellen."
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siehe zudem:
- Flachdach und Bauwerksabdichtung auf Baulinks