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Lichtverschmutzung! "Die Lichtlage in den Städten ist chaotisch"

(20.4.2004) Die Lebensqualität in deutschen Städten ist nicht nur durch schlechte Luft, sondern auch durch eine zunehmende Lichtverschmutzung beeinträchtigt. Stadtplaner und Politiker, Architekten und Künstler beginnen sich des Problems anzunehmen. Das Vorbild sind Initiativen, die in den letzten Jahren in Hamburg gestartet wurden - mit eindrucksvollen Ergebnissen, die sowohl unter ästhetischen als auch unter ökonomischen Aspekten überzeugen.

Als der Hamburger Theatermann Michael Batz 1999 sein Stück über den Aufenthalt des Mozart-Librettisten Lorenzo da Ponte in der Hansestadt präsentierte, inszenierte er es in ungewöhnlicher Form als literarische Barkassenfahrt. Kulisse war die historische Speicherstadt am Hafenrand. Um das Atmosphärische noch zu steigern, illuminierte er einige Brücken und Backsteinbauten. Nicht nur das Publikum, auch die Hamburger Stadtväter waren begeistert.


Seit drei Jahren ist das gesamte historische Ensemble von Einbruch der Dunkelheit bis kurz vor Mitternacht kunstvoll in Szene gesetzt. Batz installierte mit Unterstützung von Philips mehr als 1.000 Leuchten - keine großen Lichtkanonen, sondern kleine Spots mit 35 Watt. Sie betonen nur Details und erzeugen, reflektiert durch das Wasser in den Fleeten, eine geheimnisvolle Mischung aus Licht und Schatten.

Die Illumination der Speicherstadt hat zahlreiche Folge-Projekte in ganz Deutschland und neuerdings auch in Österreich angestoßen. Meist handelt es sich um einzelne Objekte wie Brücken und Promenaden, Kirchen und Plätze, Denkmäler und öffentliche Gebäude. Einige Städte denken auch über Masterpläne nach. Die Stadt Köln beispielsweise wünscht sich ein Konzept, das sowohl die innenstädtische Beleuchtung als auch Rheinufer und Rheinbrücken berücksichtigt. Die Lichtinszenierung ist als Highlight für die Bewerbung Kölns als Kulturhauptstadt im Jahr 2010 vorgesehen.

Wohin auch immer Batz als Berater gerufen wird, stößt er auf das gleiche Problem - "eine chaotische Lichtlage, hervorgerufen durch ein jahrzehntelanges, unkontrolliertes Aufrüsten", Kommunales Funktionslicht, das Straßen und Plätze erhellen soll, konkurriert mit dem kommerziellen Licht der Werbung. Dabei zählt nicht die Ästhetik, sondern die elektrische Leistung. Batz: "Wenn die nächtlichen Lichtreize in den Städten hörbar wären, würden wir vor Schmerzen laut schreien."

Der öffentliche Raum brauche nicht mehr Licht, sondern besseres Licht, so das Credo des Hamburger Lichtkünstlers, der von Haus aus eigentlich Schriftsteller und Dramaturg ist. Sechs Bücher und 23 Theaterstücke stammen aus seiner Feder. Seine bekannteste Inszenierung ist der "Hamburger Jedermann", den er jeden Sommer – dieses Jahr zum elften Mal – unter freiem Himmel in der Speicherstadt zur Aufführung bringt.

Darüber hinaus ist er, vom eigenen Erfolg getrieben, zum Reisenden in Sachen "besseres Licht" geworden. Unter den Stationen sind Großstädte wie Köln, Düsseldorf, Frankfurt und Münster. Aber auch in kleinere Städte wie Dessau und Böblingen wird er gerufen. Hinzu kommen Abstecher ins Ausland. In Salzburg hat er gerade ein Lichtkonzept für das an den Festspielbereich angrenzende alte Kaiviertel realisiert.

Batz ist der Mann für Licht, das eigentlich gar nicht sein muss. Er spricht von Kann-Licht. Es dient weder der Sicherheit noch der Werbung - es schafft Atmosphäre. Ist das Kann-Licht in Zeiten knapper Kassen und unter Energiesparaspekten nicht eine Art Luxusbeleuchtung? "Ganz im Gegenteil", so Batz. "Die bereits vorhandene Objekt-Beleuchtung wird in der Regel mit Scheinwerfern erzeugt, die nicht nur das Zielobjekt, sondern auch den Nachthimmel in helles Licht tauchen. Das ist pure Geldverschwendung."

Dem Hamburger Lichtkünstler geht es nicht um "Hellmachung", sondern um Emotionen und Stimmungen. Batz: "Gezielt eingesetztes Licht kann akzentuieren und modellieren, dämonisieren und verzaubern. Mein Rohstoff ist eigentlich nicht das Licht, sondern die Dunkelheit. Es ist der Übergang zwischen Hell und Dunkel, der uns lockt und fasziniert. Diese Ambivalenz ist die Grundlage moderner Licht-Gestaltung."

Dazu taugen keine Lichtkanonen. Kleine Spots mit 35 Watt genügen. Bei den meisten Projekten, die Batz in Zusammenarbeit mit Philips realisiert hat, sind die Energiemengen im Vergleich zur vorherigen Beleuchtung um ein Mehrfaches gesunken. Nicht nur deshalb, weil Batz gegen nächtliches Dauerlicht ist und für dosierte, temporäre Beleuchtungsphasen plädiert. Auch die Technik ist in den letzten Jahren entscheidend verbessert worden. Robert Pfarrwaller, Leiter des Untrernehmensbereiches Philips Licht: "Die Qualität des Lichts und die Lebensdauer der Leuchten sind erheblich gestiegen, während der Energieeinsatz erheblich reduziert wurde. Hinzu kommen die Vorteile durch die Miniaturisierung. Das ermöglicht maßvolle Illuminationen. Alles andere würden wir auch nicht fördern."

Weniger ist mehr. Das belegt unter anderem die neue Illumination des Hamburger Michel. Früher wurde das Hamburger Wahrzeichen von nur einer Seite mit acht stromfressenden Lichtkanonen beschossen. Jetzt hat Michael Batz die architektonischen Besonderheiten des Gotteshauses vom Portal bis zum Turm aus allen Himmelsrichtungen mit 200 Lichtpunkten akzentuiert. Nicht nur ästhetisch ein großer Gewinn. Auch der Stromverbrauch wurde um die Hälfte gesenkt. Ein Musterbeispiel für ökonomischen Energieeinsatz ist auch die Illumination der Speicherstadt. Obwohl mehr als tausend Leuchten zum Einsatz kommen, belaufen sich die Stromkosten nur auf drei Euro pro Stunde. Batz: "Wenn man berücksichtigt, wie viele Besucher die Speicherstadt abends anzieht, ist das Geld auch unter Marketingaspekten sehr effizient angelegt."

Politiker und Geschäftsleute sehen das ähnlich. Die Hamburger Stiftung "Lebendige Stadt", von Privat- und Geschäftsleuten getragen, hat schon eine Reihe von Licht-Projekten angestoßen und mitfinanziert. Philips hat die Initiative "Hamburg leuchtet" ins Leben gerufen, um das Elektro-Handwerk noch stärker in die Umsetzung der Projekte einzubinden und zu qualifizieren. Auch "Public Private Partnership"-Initiativen sind hanseatischen Ursprungs. Sie dienen dazu, private Sponsoren für Beleuchtungsprojekte zu gewinnen.

Wie so etwas abläuft, hat jüngst ein Pastor in Hamburg demonstriert. Sein Gotteshaus, die St. Jacobi-Kirche, liegt in unmittelbarer Nähe zur Einkaufsmeile Mönckebergstraße. Im Herbst letzten Jahres lud der Hausherr Geschäftsleute zu einem abendlichen Sondergottesdienst ein. Am Ende überraschte er seine Gäste mit einer Probebeleuchtung – inszeniert von Michael Batz und gesponsert von Philips. Die Geschäftsleute waren begeistert. Fazit: Vor wenigen Wochen konnte der Pastor seine Pläne realisieren. Ab Herbst, wenn die Tage wieder kürzer werden, wird die Kirche jeden Abend für einige Stunden effektvoll in Szene gesetzt – gut für den Gottesmann und gut für die benachbarte Geschäftswelt, die sich von der Magie des Lichts noch mehr Zulauf versprechen.

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