Urbanes Lichtchaos: Forscher plädieren für strategische Lichtplanung im öffentlichen Raum
(31.7.2013) Straßenlaternen, Leuchtreklame, Autoscheinwerfer - Licht im öffentlichen Raum ist eine Selbstverständlichkeit und seit mehr als 100 Jahren prägend für urbane Nachtansichten. Trotz positiver Assoziationen wird die nächtliche Beleuchtung zunehmend kritisch gesehen. Natur-, Kultur- und Sozialwissenschaftler konstatieren eine „Kakophonie“ verschiedener Lichtquellen und plädieren für strategische Lichtplanung. Eine internationale Konferenz am 20. und 21. Juni 2013 am Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner analysierte Entwicklung, Funktionen sowie Folgen künstlicher Beleuchtung und diskutierte Möglichkeiten für einen nachhaltigen Umgang mit künstlichem Licht.
„Das Interesse an konzeptionellen Ansätzen zur Lichtgestaltung in Städten ist insbesondere in den letzten zehn Jahren gewachsen“, sagte Katharina Krause, die am IRS sozialwissenschaftliche Forschung im Rahmen des Verbundprojekts „Verlust der Nacht“ betreibt. „Dies hängt zum einen mit der aktuellen Debatte um Klimawandel, CO₂-Emissionen, Lichtverschmutzung und Energieverbrauch zusammen, andererseits sehen die Städte in öffentlichen Beleuchtungsprojekten Möglichkeiten der Inszenierung und des Marketings.“ Das Berliner „Festival of Lights“ sei ein Beispiel für die Nutzung von Lichtinstallationen als Event. Aber auch für das „Tagesgeschäft“ der nächtlichen Beleuchtung von Straßen, Plätzen und Gebäuden entwickelten immer mehr Kommunen erste Konzepte. Gleichwohl diagnostiziert Krause noch immer eine institutionelle und regulative Leerstelle im Bereich Licht in der Städteplanung: Es gebe kaum gesetzliche Regelungen, wenig Erfahrungen und Bewusstsein für die Steuerung von Licht in öffentlichen Räumen. Dies sei ein hochkomplexes Feld aus öffentlichen und privaten Akteuren, nicht selten kommt es zu Konflikten - so Krause. Die Auseinandersetzung um eine helle Leuchttafel vor der Berliner Mehrzweckhalle O2-World ist nur ein Beispiel, das Krause analysiert hat.
„Die Faszination der illuminierten Nacht, aber auch die Kritik an übermäßiger oder unerwünschter Beleuchtung sind nicht grundsätzlich neu“, fügte Dr. Ute Hasenöhrl vom IRS hinzu. Sie betreibt umwelt- und sozialhistorische Forschungen im Verbund „Verlust der Nacht“ und identifizierte bereits zu Zeiten der „Beleuchtungsrevolution“ des 19. und 20. Jahrhunderts, als mit Gas- und elektrischem Licht umfassende Möglichkeiten zur Beleuchtung und Inszenierung des öffentlichen und privaten Raums entstanden, heftige Debatten um die neue Lichtfülle.
„Speziell die Leuchtreklame rief in den 1910er und 20er Jahren sowohl Begeisterung als auch Skepsis hervor. Die Proteste der Heimatschützer gegen die 'Verschandelung' des Stadtbildes führten auch zur Verabschiedung erster Regelwerke gegen den unkoordinierten Lichterwettstreit.“ Nach dem 2. Weltkrieg galten Licht- und Außenwerbung dann als fester Teil des Wirtschaftslebens, der letztlich akzeptiert werden müsse. Auf eine strategische Planung und Regulierung der verschiedenen Lichtformen wurde weitgehend verzichtet. „Die Erfahrungen aus der Geschichte zeigen, dass Licht zwar als konstituierendes kulturelles Element wahrgenommen wird, aber bei weitem nicht nur Zustimmung erfahren hat und erfährt“, erklärte Hasenöhrl.
Ein Ziel der internationalen Konferenz „The Bright Side of Night“ war es, der bis dato von Naturwissenschaftlern (Biologen, Ökologen, Astronomen) dominierten Erforschung der Lichtverschmutzung diese sozialwissenschaftlichen Perspektiven hinzuzufügen.
Bild aus dem Beitrag „Lichtdesign-Preis 2013: Besondere Würdigung der Jury für Lichtplanung im öffentlichen Raum“ vom 18.5.2013 (Foto: FH Dortmund, Forschungslinie „Licht_Raum“, Bild vergrößern)
Auf Einladung des IRS und des Instituts für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität Berlin kamen unter anderem Soziologen, Historiker, Geographen, Planer, Kultur-, Politik- und Wirtschaftswissenschaftler zusammen. In vier Panels an zwei Konferenztagen wurden Lichtwahrnehmungen und -praktiken, Konflikte und Regulationsansätze, Kosten und Nutzen von künstlichem Licht diskutiert.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Verbundprojekt „Verlust der Nacht“
- Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS)
- Institut für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität Berlin
- Festival of Lights
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siehe zudem:
- Außenleuchten und Medienfassaden im Licht-Magazin sowie Public Design auf Baulinks
- Literatur / Bücher zu den Themen Beleuchtung und Licht bei Baubuch / Amazon.de