HWWA-Präsident Straubhaar: Traditionelle Stärken der deutschen Bauwirtschaft fördern
(26.3.2002) Welche Wege aus der Baukrise führen, skizziert der Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs, Prof. Dr. Thomas Straubhaar, im Interview mit "Ingenieure in Bayern."
ERSTENS - Herr Professor Straubhaar, Ihren Vorwurf mangelnden ordnungspolitischen Interesses seitens der Bundesregierung unterstreichen Sie mit der Forderung nach umfassenden Deregulierungen und Privatisierungen. Wenn nicht Bundeskanzler Gerhard Schröder, sondern Sie die Richtlinienkompetenz inne hätten, müsste dann das Verhältnis von Staat und Wirtschaft neu definiert werden?
Straubhaar: Aus ordnungspolitischer Sicht ist entscheidend, dass der Staat bei seinen wirtschaftspolitischen Aktivitäten strikt trennt zwischen den langfristigen Rahmenbedingungen und den sozio-ökonomischen Umverteilungsmaßnahmen.
Bei den Rahmenbedingungen geht es darum, gute Spielregeln durchzusetzen, um der Marktwirtschaft möglichst viel Freiraum zu geben und mögliche Mängel wie ein Marktversagen zu kompensieren.
Bei den Umverteilungsmaßnahmen sollte nicht über Marktprozesse versucht werden Einfluss zu nehmen, sondern durch direkte Zahlungen und Leistungen an jene, die aufgrund der marktwirtschaftlichen Ergebnisse zu kurz kommen.
Mit dieser klaren Zweiteilung könnte eine Vielzahl von Fesseln und Regeln des heutigen Systems abgestreift werden.
ZWEITENS - Wenn alle Wirtschaftsaktivitäten in ihrem Wachstum auch Bauaktivitäten
auslösen, kann es bei der derzeitigen Wachstumsschwäche nicht verwundern, dass der Bau
krankt. Ist die Krise der Bauwirtschaft allein Folge des wirtschaftspolitischen Kurses der
Bundesregierung oder erkennen Sie andere, möglicherweise von der deutschen Bauwirtschaft
selbst verschuldete Ursachen für die siebenjährige Krise?
Königsweg oder Sackgasse für den Mittelstand - wohin führt die Beteiligung privaten
Kapitals bei der Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen (Public Private Partnership /
Built-Operate-Transfer, usw.)?
Straubhaar: Bei der Krise der Bauwirtschaft handelt es sich keinesfalls um ein kurzfristiges Phänomen, für das die heutige Regierung verantwortlich gemacht werden kann. Im Gegenteil: Während der guten Jahre im Zuge der Wiedervereinigung sind in der Bauwirtschaft Überkapazitäten aufgebaut und ein Strukturwandel vernachlässigt worden, was sich heute rächt.
Heute und auch in absehbarer Zukunft fehlt es vor allem an staatlichen Investitionen im Baubereich, da die hohe Staatsverschuldung neuen Infrastrukturprojekten und staatlichen Aktivitäten engste Grenzen setzen. Gerade deshalb ist es ein sehr kluger Vorschlag, große Infrastrukturprojekte zu privatisieren und über Gebühren und Abgaben zu finanzieren. So ließe sich in der Tat ein Bauinvestitionsprogramm aktivieren, dass sehr positiv zu beurteilen wäre.
DRITTENS - Übersättigten Teilmärkten steht in der deutschen Bauwirtschaft eine gesteigerte Angebots-Kapazität gegenüber. Was raten Sie mittelständischen Unternehmern und Freiberuflern der Branche vor dem Hintergrund des durch die Osterweiterung weiter steigenden Wettbewerbsdrucks - abwarten oder umsatteln?
Straubhaar: Abwarten dürfte - nicht nur in der Bauindustrie - eine teurere Handlungsanweisung werden.
Besser scheint mir, rechtzeitig strukturelle Anpassungsprozesse vorzunehmen. Dazu könnte gehören, die traditionellen Stärken der deutschen Bauwirtschaft weiter zu fördern. Hierzu zähle ich Qualitätsbewusstsein, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, und der hohe Standard der Bauleistungen.
Hinderlich sind ohne Frage die hohen Lohnnebenkosten, die gerade beim Bau auch zu viel Schwarzarbeit und illegaler Einwanderung führen, hinderlich sind ebenfalls die zu starren Vorschriften für den Markteintritt und -austritt sowie für neue Beschäftigungsverhältnisse und im Bereich des Kündigungsschutzes.
Wichtiger werden dürften in Zukunft ohne Zweifel auch die Bereiche Reparatur, Wartung, Ausbau und Erweiterungsbauten, also alles Bereiche, bei denen es weniger um einige wenige Großprojekte als vielmehr um viele kleine und durchaus wertschöpfungsstarke Aufträge geht.
VIERTENS - Auf der Pressekonferenz vom 8. Januar 2002 "DEUTSCHLAND ein
Sanierungsfall?" äußerten Sie die Überzeugung, dass durch "die europäische
Schiene nationale Kartelle und Rent seeking societies aufgebrochen (würden)."
Erkennen Sie derartige Strukturen in der deutschen Bauwirtschaft und in welcher Weise
treten diese in Erscheinung?
Wo sehen Sie die Durchlässigkeit und Flexibilität institutioneller Rahmenbedingungen in
der Bauwirtschaft bedroht?
Straubhaar: Gerade die Freizügigkeit der Arbeitskräfte und auch die Freizügigkeit der Dienstleistungserbringer werden den Wettbewerb auf deutschen Baustellen noch einmal massiv verstärken. Dadurch dürfte das Problem der Schere zwischen Brutto- und Nettolöhnen auf der einen Seite und zwischen Lohnforderungen und Produktivitätssteigerungen auf der anderen Seite noch einmal akuter werden.
Als Ergebnis sehe ich einen noch einmal beschleunigten Strukturwandel - gerade auch in der Bauwirtschaft - der den Druck erhöhen wird, veraltete Regulierungen und Vorschriften (begonnen bei Flächentarifen und aufgehört bei Kündigungsverfahren) zu beschleunigen.
Herr Prof. Straubhaar, "Ingenieure in Bayern" dankt Ihnen für dieses Gespräch. Die Fragen stellte Dr. Jörg Meyer-Hesseln.
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