100 Jahre Deutscher Mieterbund
(1.6.2001) Im Jahr 1900 gründeten 25 Mietervereine den Bund der Mietervereine in Leipzig und legten damit den Grundstein für eine deutsche Mieterbewegung.
Schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten sich Mieterinnen und Mieter örtlich zu Selbsthilfeeinrichtungen zusammengefunden. Der erste Mietbewohnerverein entstand 1868 in Dresden.
Wohnungselend und eine weitgehende Rechtlosigkeit für Mieter waren kennzeichnend für diese Zeit. Formularmietverträge der Haus- und Grundbesitzervereine legten Rechte und Pflichten einseitig fest. Auch das neu am 1. Januar 1900 in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) änderte daran nichts. Die "Vertragsfreiheit", von der die Vermieter profitierten, wurde im Gesetz verankert.
Die frühe Mieterbewegung war noch vom Obrigkeitsdenken und vom bürgerlichen Bewußtsein der Kaiserzeit geprägt. Hinzu kamen Uneinigkeit und - vor allem in der Zeit des Nationalsozialismus - politische Anpassung.
In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Mietervereine für kurze Zeit zu einer Massenbewegung. Ihre politische Arbeit wurde durch das Mieterschutzgesetz von 1923 gekrönt. Mit diesem Gesetz, das die Handschrift der Mieterbewegung trug, wurde Rechtsgeschichte geschrieben. Zum ersten Mal wurde das Wohnrecht des Mieters als schützenswert anerkannt. Diese in der damaligen Zeit geradezu revolutionären Gedanken bestimmten fortan die Diskussion um das Mietrecht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten der Wiederaufbau der zerstörten Städte, des zerstörten Wohnraums und die Überwindung der ungeheuren Wohnungsnot höchste politische Priorität. Das 1950 verabschiedete Wohnungsbaugesetz schaffte die Grundlage für die Wohnungsbauförderung und für den sozialen Wohnungsbau.
Schon 1946 hatte sich in der britischen Besatzungszone der Zentralverband Deutscher Mieter gegründet, und seit 1947 gab es in der amerikanischen Besatzungszone den Bund Westdeutscher Mieterverbände. 1951 dann schlossen sich die beiden Verbände zu einem Dachverband, dem Deutschen Mieterbund, mit Sitz in Köln, zusammen. Geführt wurde der Verband von Präsident Adam Rembser, ab 1955 von Wilhelm Geisslreither. Bundesdirektor wurde 1951 Berthold Gramse.
Eines der wichtigsten Themen in der Nachkriegszeit war der "Lücke-Plan", so genannt nach dem damaligen CDU-Wohnungsbauminister. 1960 wurde der "Lücke-Plan" im Bundestag gegen den vehementen Widerstand des Mieterbundes verabschiedet. Damit war der Kampf um die Erhaltung des Mieterschutzgesetzes und der gesetzlichen Mietpreisbindung zumindest für den Altbaubestand verloren. Die faktische Rechtlosigkeit der Mieter führte in den 60er Jahren zu stark steigenden Mietkosten und einer wahren Kündigungswelle. Doch ab den 60er Jahren wurde auch der Deutsche Mieterbund als politische Interessenvertretung der Mieter stärker und erfolgreicher. Unter Dr. Paul Nevermann, Präsident des Mieterbundes von 1967 an, und unter Helmut Schlich, Direktor des Mieterbundes von 1962 an, wurde die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt. Presseveröffentlichungen, Protestkundgebungen und Dokumentationen begleiteten die Arbeit der Mieterorganisation.
Nach heftigen Diskussionen und harten Auseinandersetzungen wurde 1971 dann das Wohnraumkündigungsgesetz mit dem Kernstück "gesetzlicher Kündigungsschutz" im Bundestag verabschiedet. Eine grundlose Kündigung des Vermieters, insbesondere die Änderungskündigung, also die Erzwingung einer Mieterhöhung mit dem Druckmittel der Kündigung, war fortan ausgeschlossen. Federführend für das Wohnraumkündigungsgesetz war der damalige Bundesjustizminister Gerhard Jahn, der 1979 Präsident des Deutschen Mieterbundes wurde.
Zum 1. Januar 1975 trat das mit überwältigender Mehrheit im Bundestag beschlossene "Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz" in Kraft. Der gesetzliche Kündigungsschutz war Dauerrecht geworden.
Nach dem Zusammenschluss mit dem Mieterbund der DDR, der sich im Frühjahr 1990 gegründet hatte, gibt es seit Oktober 1990 wieder einen gesamtdeutschen Mieterbund. Der Wiederaufbau der Mieterbewegung in den östlichen Bundesländern wurde eine der wichtigsten Aufgaben in der jüngeren Verbandsgeschichte. Der Deutsche Mieterbund begleitete den schwierigen Prozess der Überführung des DDR-Wohnungswesens in die soziale Marktwirtschaft. Politisch setzt sich die Mieterorganisation für eine schrittweise und sozial verträgliche Angleichung der rechtlichen und wirtschaftlichen Wohnbedingungen ein.
Seit 1995 stehen Anke Fuchs als Präsidentin und Franz-Georg Rips als Bundesdirektor an der Spitze des Deutschen Mieterbundes.
Quelle:
siehe auch:
- Meldung "59. Deutscher Mietertag in Bielefeld vom 7. bis 9. Juni 2001"
- Meldung "Deutscher Mieterbund - Organisation und Aufgaben"