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BAUBILDaktuell: Neue Bildtechnik in der Verarbeiter-Reportage

(11.10.2024) Stephan Falk: Oft ist es Not oder Zufall, dass einem Dinge vor die Füße fallen. Eine neue Bildsprache in der Reportagefotografie entstand durch Zufall bei einer Verarbeiter-Dokumentation. Obwohl vom gleichen Punkt aufgenommen, entstehen unerwartet unterschiedlich aussehende Bilder. Bei einem Job in Mecklenburg wurde ein Verwaltungsgebäude auf einem ehemaligen Gutshof zur Ferienwohnung umgebaut. Meine Aufgabe als Fotograf, bestand darin die Verlegung der Dämmung zu fotografieren. Ich hatte gerade mit dem Shift-Objektiv das eingerüstete Haus aufgenommen, da begannen auf dem Dach, früher als von den Dachdeckern zuvor kommuniziert, die Verlegearbeiten.

Zur Erinnerung: Shift-Objektive dienen zum Entzerren von stürzenden Linien und werden hauptsächlich mittels Stativaufnahmen zur Dokumentation von Fassaden eingesetzt.

Doch nun, keine Zeit zum Auto zu rennen und das Shift-Objektiv gegen ein Weitwinkel-Zoom zu tauschen. Also rauf aufs Dach und hier hat man als Fotograf zwei Aufgaben: Nicht runterfallen und nicht im Weg stehen! …und dabei richtig gute Aufnahmen machen.

Mit hochgeschobener Linse entzerrt man die stürzenden Linien bei der Aufnahme von Fassaden. Durch das Absenken der Linse ist man optisch den Arbeitsschritten näher. (Bildo: Stephan Falk, BAUBILD) 

Wie dokumentiert man eindrucksvoll die Verlegung einer PU-Hochleistungsdämmung. Da sollen zum einen die Fläche und zum anderen die Verarbeiterschritte gezeigt werden. Fotografen sind mitunter wie kleine Jungs; sie spielen gern mit ihrer Technik rum. Und so verrutschte mir die Shift-Optik aus der 0-Stellung und das Bild wurde komplett anders und absolut spannend. Ich war bei einem Under-Shift (Shift-Optik nach unten) optisch dichter an den handwerklichen Abläufen. Schob ich die Optik nach oben und kippte die Kamera nach vorn, erschienen die Dachfläche wesentlich größer. So entstanden deutlich unterschiedliche Bildwirkungen, alle vom gleichen Standpunkt, nur um 90° gedreht.

Gleicher Standpunkt, nur um 90 Grad gedreht: Das Objektiv nach oben geschoben und die Kamera stark geneigt. Folge die Dachlandschaft wirkt beeindruckender. (Bild: Stephan Falk, BAUBILD) 

Der Einsatz von Shift-Optiken in der Reportagefotografie ermöglicht einen sehr schnellen Perspektivwechsel. Das schnellste Tier mit den vermutlich schärfsten Augen ist der Falke. Vielleicht nennen wir diese Aufnahmetechnik einfach falcing (falconing ist die Falknerei) oder deutsch falken?

Objektiv und Kamera

Platzhirsch seit Jahren ist das Canon TS-E 17 mm f/4L-Objektiv, das z.B. auch über Adapter an Canon R, Nikon Z, L-Mount-(Leica SL), Sony-Kameras und der Fuji GFX-100 Verwendung findet. Die aktuell schärfste Shift-Optik ist das Nikkor PC 19/E ED. Sie passt leider nur an Nikon F und über den Nikon-FTZ-Adapter an die Nikons der Z-Serie.

Beispiel Canon TS-E 17/4 über einen Sigma-Adapter an einer Leica SL3 – fast alle spiegellosen Kameras können über Adapter mit einem Shift-Objektiv genutzt werden. (Bild: Stephan Falk, BAUBILD) 

Neu am Markt ist seit wenigen Monaten ein 15mm Laowo-Objektiv. Dieses Objektiv lässt sich an fast alle Vollformat-Kameras adaptieren, bis hin zu den Kleinstmittelformaten von Fuji und Hasselblad. Das Laowo ist die preiswerteste Optik, hat aber auch die schlechteste optische Leistung. Grundsätzlich haben alle Shift-Objektive einen manuellen Fokus; sind somit keine Autofokus-Objektive. Die Laowo-Objektive haben auch keine elektronische Blendensteuerung, man fotografiert mit der Arbeitsblende. Dafür sind sie auch deutlich preisgünstiger: Das Canon kostet etwas mehr als das Doppelte, das Nikon mehr als das Vierfache. Bei professionellen Architekturkameras, wie der ALPA, der Cambo-Wide oder der einzigen vollintegrierten Phase One XT ist die Shift-Option schon im Gehäuse integriert. 

Die Phase One XT ist von der Bildqualität und den technischen Möglichkeiten, die beste Kamera der Welt (State of the Art) und wird aufgrund ihres hohen Preises leider viel zu selten eingesetzt. (Bild: Phase One) 

Digitale Plattenkamera

Bei professionellen Architekturkameras, wie der ALPA, der Cambo-Wide oder der einzigen vollintegrierten Phase One XT, ist die Shift-Option schon im Gehäuse integriert. Sie funktionieren wie eine digitale Plattenkamera. Bei der Phase One XT schaut der Fotograf statt unter einem schwarzen Tuch, auf ein Display in iPhone-Qualität. Das digitale Rückteil steuert die beiden internen Verschlüsse. Objektiveinstellungen und die Länge des Verschiebeweges am Gehäuse werden in den Metadaten der Aufnahmedatei gespeichert, die dann später im RAW-Konverter für die Optimierung der Bildqualität berücksichtigt werden. 

Fazit

Ohne Shift-Objektive bzw. Shift-Kameras ist eine Architekturfotografie nicht vorstellbar. Durch die neuen spiegellosen Kameras lassen sich Shift-Objektive gut in der Reportagefotografie einsetzen; somit auch bei Verarbeiter-Reportagen im Baubereich. Dadurch sind völlig neue Bilderwelten möglich.

Fragen oder Anregungen können per E-Mail an BAUBILD gesendet werden.

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