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Fraunhofer Studie zu Potenzialen von Stellplätzen zur Bereitstellung privater Ladeinfrastruktur

(23.9.2024) In Mehrparteienhäuser und Nicht-Wohngebäuden führt die zunehmende Diffusion von Elektrofahrzeugen bereits heute und verstärkt in naher Zukunft, zu einem wachsenden Bedarf an Ladeinfrastruktur. Im Vergleich zu anderen Gebäudekategorien, z.B. Einfamilienhäusern, ist der Ausbau von Ladeinfrastruktur hier mit zusätzlichen Herausforderungen verbunden: Einerseits sind potenzielle Investoren in Ladeinfrastruktur in vielen Fällen nicht unmittelbar diejenigen, die von der Ladeinfrastruktur profitieren, weshalb oftmals nur geringe Anreize für eine Investition gegeben sind. Andererseits erhöhen speziell in Bestandsgebäuden auch technische Restriktionen, wie eine veraltete Hauselektrik oder ein begrenzter Netzanschluss, die Komplexität der Installation von Ladeinfrastruktur. Dieses Spannungsfeld ist in der Studie „Potenziale von Stellplätzen an Wohn- und Nichtwohngebäuden zur Bereitstellung privater Ladeinfrastruktur” adressiert, die im Auftrag von Transport & Environment Deutschland von den Fraunhofer-Institute ISI und ISE erstellt wurde.

Potenziale von Stellplätzen an Wohn- und Nichtwohngebäuden zur Bereitstellung privater Ladeinfrastruktur. (Bild: Fraunhofer ISE) 

Die Auslastung von Ladeinfrastruktur an Gebäuden und mögliche resultierende Netzbelastungen wissenschaftlich zu untersuchen und daraus den Bedarf an Ladeinfrastruktur in Deutschland für das Jahr 2030 abzuschätzen, ist das zentrale Ziel der Studie. Anforderungen an den zukünftigen regulatorischen Rahmen können daraus abgeleitet werden. Im Fokus liegen Mehrparteienhäuser und Nichtwohngebäude im Bestand. 

Inhaltlich wurde die Untersuchung in vier Teilaspekte gegliedert: 

  • Anforderungsanalyse zum regulatorischen Rahmen zur Installation von Ladeinfrastruktur 
  • Ermittlung des Ladeinfrastrukturbedarfs in Mehrparteien- und Nichtwohngebäuden 
  • Analyse der Netzauswirkungen des Ladens von Elektrofahrzeugen 
  • Quantifizierung der zukünftigen Entwicklung von Elektrofahrzeugen und Allokation der Ladeorte  

Folgende Aussagen lassen sich für den Ladeinfrastrukturbedarf an Mehrparteienhäuser und Nichtwohngebäuden zusammenfassen:

Mehrparteienhäuser

Ein Ladepunkt ist für mehr als 20% der Elektrofahrzeuge an Mehrparteienhäusern notwendig, um die Minimalanforderungen an eine Energieversorgung der Fahrzeuge zu gewährleisten.

Das setzt voraus, dass ...

  1. die Ladeinfrastruktur allen Elektrofahrzeugen zugänglich ist,
  2. Fahrzeuge den Ladepunkt nach Beendigung des Ladevorgangs freigeben,
  3. Elektrofahrzeuge homogen über alle Gebäude hinweg verteilt sind, es also nicht zu Ballungen an einzelnen Gebäuden kommt. 

Jedoch seien diese Voraussetzungen in der Regel nicht gegeben und stellen daher eine untere Grenze für den Ladeinfrastrukturbedarf dar. Damit ist mehr Ladeinfrastruktur notwendig, um zu gewährleisten, dass die tatsächlichen Ladebedarfe in Mehrparteienhäusern gedeckt werden. 

Nichtwohngebäude

Für 10% der Elektrofahrzeuge an Nichtwohngebäuden ist ein Ladepunkt notwendig, um die Minimalanforderungen an eine Energieversorgung der Fahrzeuge zu gewährleisten.

Dies setzt voraus, dass ...

  1. genügend Infrastruktur andernorts zur Verfügung steht und nur 30 % der Ladevorgänge bei der Arbeit stattfinden,
  2. Fahrzeuge den Ladepunkt nach Beendigung des Ladevorgangs freigeben,
  3. das Elektrofahrzeugaufkommen über die Sektoren hinweg gleichverteilt ist. 

Diese Anforderungen werden jedoch als unrealistisch gesehen, weshalb zur Ladebedarfsabdeckung mehr Ladeinfrastruktur notwendig sei. Den Ladeinfrastrukturbedarf an Mehrparteienhäusern kann eine Verlagerung von Ladevorgängen von Mehrparteienhäusern hin zu Nichtwohngebäuden reduzieren – hierfür wird jedoch ein größeres Infrastrukturangebot notwendig. 

Regulatorisch wird der Ausbau der Ladeinfrastruktur an Gebäuden, insbesondere Mehrparteien- und Nichtwohngebäude, vorrangig durch das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) geregelt. Der Abschluss der Novellierung der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) initiiert eine Überarbeitung des GEIGs, die bereits durch die Bundesregierung angekündigt wurde. 

Da eine gesetzliche Verpflichtung zur Installation von Ladeinfrastruktur oder Vorverkabelung sowohl im GEIG als auch in der novellierten und im Vergleich zum GEIG ambitionierter ausgestalteten EPBD nur im Falle einer Renovierung oder bei Neubauten zum Tragen kommt, werden weniger als eine Mio. vorbereitete Stellplätze durch Neubau und GEIG in Mehrparteienhäusern geschaffen. Aufgrund ausbleibender Renovierungen bleiben 4,8 Mio. Stellplätze unberührt.

Zwischen den Anforderungen des GEIG bzw. der EPBD und dem Bedarf von Elektrofahrzeugen in Mehrparteienhäusern bleibt daher eine Infrastrukturlücke bestehen. Verringern kann diese Lücke eine Ausgestaltung des zukünftigen GEIG, die diesen Nutzergruppen die Nutzung von Elektrofahrzeugen deutlich erleichtert. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass die Ausstattung der ca. 1 Mio. Stellplätze mit Ladeinfrastruktur nicht automatisch mit der tatsächlichen Standortverbreitung der Elektrofahrzeuge korreliert. Das heißt, damit Nutzer ohne eigenen Stellplatz leicht bei der Arbeit, dem Einkaufen oder der Freizeit laden können, müssen auch bei einer ambitionierten Ausgestaltung einer GEIG-Novelle in Bezug auf Mehrparteienhäusern weitere Stellplätze an Nichtwohngebäuden wie Bürogebäuden, Parkhäusern oder Supermärkten geschaffen werden.

Die Studie „Potenziale von Stellplätzen an Wohn- und Nichtwohngebäuden zur Bereitstellung privater Ladeinfrastruktur” steht unter ise.fraunhofer.de/de/studien oder hier zum kostenfreien PDF-Direktdownload zur Verfügung.

siehe auch für zusätzliche Informationen:

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