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Baustoff-Fachhandel fordert „Akut-Paket Wohnungsbau 2017“


  

(22.1.2017; BAU-Bericht) Der Baustoff-Fachhandel geht mit positiven Erwartungen ins Jahr 2017 - das ergab eine aktuelle Branchen-Umfrage unter mehr als 900 Fachhändlern in Deutschland. Demnach gehen drei von zehn befragten Unternehmen sogar von einer guten bis sehr guten Entwicklung in 2017 aus. „Grund hierfür ist der Wohnungsbau, der nach langem Dornröschenschlaf endlich wieder in die Gänge kommt“, sagte der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) Stefan Thurn am 16. Januar bei einer Pressekonferenz auf der BAU. Zugleich übte er heftige Kritik an der Wohnungsbaupolitik von Bund und Ländern: „Es hätte wesentlich mehr passieren müssen. Die Bilanz des vergangenen Jahres ist - gemessen am Bedarf - immer noch miserabel.“ Der BDB rechnet mit nur 280.000 neuen Wohnungen 2016. (Die Bauindustrie rechnet im Nachbarbeitrag mit immerhin 320.000 Fertigstellungen.) „Der Wohnungsmangel in Metropolregionen, Groß- und Universitätsstädten hat sich längst zu einem massiven gesellschaftlichen Problem entwickelt,“ so Thurn.

3% AfA, Sonderabschreibung, sozialer Wohnungsbau

Notwendig sei eine deutlich bessere Förderpolitik. Insbesondere der Bund sei hier gefragt. BDB-Präsident Thurn forderte in München - auch angesichts des aktuellen Überschusses von knapp 7 Mrd. Euro in der Bundeskasse – ein „Akut-Paket Wohnungsbau 2017“. Dieses müsse deutlich bessere Steueranreize bieten. Vor allem die Erhöhung der Abschreibung von 2 auf 3 Prozent bei der AfA sei längst überfällig. „Gerade weil die Lebensdauer von moderner Gebäudetechnik immer kürzer wird, muss der Staat allen, die in die Schaffung von Wohnraum investieren, auch eine bessere Abschreibung bieten“, so Thurn. Für Ballungsräume müsse es zusätzlich eine Sonderabschreibung geben. Zudem sei ein „effektiver Neustart des sozialen Wohnungsbaus“ dringend notwendig. Künftig müssten jährlich mindestens 80.000 Sozialmietwohnungen zusätzlich gebaut werden.

Der Wohnungsbau werde eine zentrale Rolle im Wahljahr 2017 spielen, so der BDB. „Die Forderung nach bezahlbaren Mietwohnungen wird zu den Top-Wahlkampfthemen gehören. Ebenso das Ziel von einem Großteil der Menschen in Deutschland, sich eine bezahlbare Eigentumswohnung oder ein Eigenheim kaufen zu können“, sagte Stefan Thurn.

30- bis 40-Jährige sind „Verlierer-Generation“

  

  

Eine Studie zum Wohneigentum, die das Pestel-Institut vorgestellt hat, macht eine neue „Verlierer-Generation“ auf den Wohnungsmärkten aus: Insbesondere die 30- bis 40-Jährigen können sich demnach immer seltener eine Eigentumswohnung oder ein eigenes Haus leisten. Mehr als zwei Drittel dieser Altersgruppe sind Mieter - mit steigender Tendenz. „Die Eigentumsquote der 30- bis 40-Jährigen ist in den vergangenen fünfzehn Jahren um mehr als 10 Prozent zurückgegangen. Dabei gehörten gerade die Jobstarter und Familiengründer zur typischen Klientel für Wohnungskauf und Hausbau“, sagte Matthias Zeeb vom Pestel-Institut in München - siehe auch Beitrag vom „,Wohneigentum statt Miete‘: Eigentumsquote soll auf 50% bis 2020 anwachsen“ vom 21.11.2016.

Grunderwerbsteuer, Freibeträge, Bauland-Offensive

BDB-Präsident Thurn forderte Bund und Länder auf, rasch neue Rahmenbedingungen für den Erwerb von Wohneigentum zu schaffen. „Die in vielen Bundesländern mit bis zu 6,5 Prozent regelrecht überdrehte Grunderwerbsteuer muss deutlich abgesenkt und bundesweit einheitlich werden. Darüber hinaus brauchen wir Freibeträge beim Erwerb einer selbst genutzten Wohnung. Und wer bauen oder kaufen will, muss auch eine ordentliche Finanzierung auf die Beine stellen können. Überzogene Auflagen für die Immobilienfinanzierung -wie durch die Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie - darf es nicht geben.“ Darüber hinaus forderte Thurn eine Bauland-Offensive für Wohneigentum: Insbesondere Kommunen sollten ihre Grundstücksreserven mobilisieren.

„besorgniserregender Trend“ und „HBCD-Krise“

Strukturformel von Hexabromcyclododecan
Strukturformel von Hexa­bromcyclododecan (HBCD)
   

Der BDB sprach in München auch von einem besonders „besorgniserregenden Trend“ und meinte damit einen spürbaren Rückgang bei der Modernisierung insbesondere bei der CO₂-Gebäudesanierung. Verantwortlich hierfür machte BDB-Präsident Thurn eine „Verunsicherungspolitik mit organisatorischen und bürokratischen Hürden“, die im Rahmen der „HBCD-Krise“ die Entsorgung von ausgedienten Dämmplatten „richtig teuer“ gemacht habe: „Alte Styroporplatten gelten seit gut einem Vierteljahr als gefährlicher Abfall. Sie müssen bei einer Sanierung getrennt gesammelt und von einem Entsorger für Sonderabfälle abgeholt werden. Handwerker bekommen dabei einen Übernahmeschein und müssen diesen dann drei Jahre aufbewahren.“ Dies habe dazu geführt, dass bei der Entsorgung derzeit „ein völliges Chaos“ herrsche. Es sei daher nicht verwunderlich, dass es bei der energetischen Gebäudesanierung – anders als von der Klimaschutzpolitik der Bundesregierung gewollt - aktuell zu „dramatischen Einbrüchen“ komme und es „enorme Absatzrückgänge bei Dämmstoffen“ gebe. „Hier muss der Bund dringend die Notbremse ziehen und unnötige Hemmnisse für Energiespar-Sanierungen beseitigen. Und zwar so, dass die Praxis - Handel und Handwerker - damit leben und arbeiten können“, forderte Thurn - zur Vervollständigung siehe Beitrag „Alles wieder gut? Bundesrat will befristete Ausnahmeregelung für HBCD-haltige Dämmstoffe“ vom 16.12.2016.

rollende Ein-Mann-Betriebe

Und einen weiteren Trend beobachtet der Baustoff-Fachhandel: Immer häufiger sind „mobile Generalisten“ unterwegs - rollende Ein-Mann-Betriebe. „Sie haben ihre Werkstatt mit Fliesenschneider und Tapeziertisch im Lieferwagen. Das Smartphone ersetzt die Sekretärin. Wir schätzen, dass es bundesweit rund 120.000 solcher ‚Bau-Generalisten‘ gibt“, sagte Stefan Thurn. Der BDB geht davon aus, dass der Umsatz dieser Solo-Unternehmer bundesweit bei rund 15 Mrd. Euro im vergangenen Jahr lag.

Infrastrukturproblem


  

Mit der Studie „Urbane Sturzfluten“ vom Institut für Wasserwesen an der Bundeswehr-Uni München wies der BDB auf ein drängendes Infrastrukturproblem in Deutschland hin: auf ein in weiten Teilen marodes Kanalsystem. „Immer wieder und immer öfter - insbesondere im Hochsommer - versinken Straßen und Keller im Hochwasser. Tiefgaragen werden in den Städten überflutet“, sagte Stefan Thurn. Dabei seien Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen besonders vom Starkregen gefährdet. Der BDB-Präsident sprach sich für eine bessere Vernetzung von Kommunen, Ländern und Bund beim Überflutungsschutz aus. Hierzu gehöre unter anderem ein optimiertes Entwässerungssystem mit Regenwassermanagement. Ebenso eine gründliche Analyse von Überflutungsgefährdungen mit einer aktiven Risikokommunikation. Gerade in Siedlungsgebieten müsse es hierbei auch eine ausreichende Anzahl von Niederschlagsmessstationen geben - siehe auch Beitrag „Studie ,Urbane Sturzfluten‘ belegt mangelnden Schutz vor Starkregen und verspricht Lösungen“ vom 6.6.2016.

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