Perforierte Ziegel-Fassade mit Lichteffekten zwischen Kleiner Weser und Weser
(12.7.2016) Auf der von zwei Weserarmen umschlossenen Halbinsel Stadtwerder entwickelt Bremen seit 2009 ein neues Wohngebiet. Das Herzstück ist das Gelände am „Wasserturm auf dem Werder“, ein imposanter Backsteinbau als städtebaulicher Orientierungspunkt des Areals (siehe Google-Maps, besonders anschaulich im 3D-Modus). Um den Turm gruppieren sich verschiedene Baufelder, die im Sinne der gestalterischen Vielfalt und sozialen Lebendigkeit mit verschiedenen Gebäudetypen in unterschiedlichen Geschosszahlen bebaut werden. Wert legte die Kommune zudem auf die Mischung von Eigentum und Mietwohnungen.
alle Fotos: © Wienerberger / Stefan Müller
Gestaltungsfibel und Architekturwettbewerb
Eine städtebauliche Besonderheit bildet das für 22 Einfamilienhäuser vorgesehene Baufeld B3. Damit hier eine der Lage angemessene urbane Prägung und Identität entstehen kann, die sich von der typischen Stadtrandbebauung eindeutig unterscheidet, formulierte die Stadt neben dem städtebaulichen Rahmenplan für diese Teilfläche eine eigene Gestaltungsfibel und lobte einen Architekturwettbewerb aus. Leitbild war dabei ein dreigeschossiges kubische Stadthaus mit Flachdach - angelehnt an die alten Wasserwerksgebäude. Aus dem Architekturwettbewerb gingen zehn prämierte Entwürfe hervor, die allerdings für die Erwerber der einzelnen Grundstücke nur ein Angebot und keine Verpflichtung darstellten.
Damit war für den Architekten Rainer Schürmann der Weg frei, das gemeinsam mit seiner Frau Gunda entwickelte Wohnhaus „Wasserkunst“ zum eigenen Bauvorhaben zu machen. Während die Kubatur weitgehend vorgegeben war, ließ die Gestaltungsfibel im Materialkanon durchaus Freiräume. Rainer Schürmann interpretierte das urbane, klar strukturierte Stadthaus - der Intention des Ortes folgend - mit einer Fassade aus Wasserstrichziegeln Oranje Spezial im Waalformat (WF) aus dem Terca-Sortiment von Wienerberger. Die lebendig, orangebunt changierenden geschlossenen Fassadenflächen werden durch großzügige Eckfenster und auf drei Gebäudeseiten durch zentral eingerückte Loggien gegliedert. Für die Eingangsseite entwickelte die Schmuckgestalterin und Mit-Bauherrin Gunda Schürmann eine perforierte Ziegelfassade, die eine ungewöhnliche vertikale Gebäudeachse markiert.
Entwurf mit Licht und Ordnung
Die Wertschätzung der Bauherren für Mies van der Rohe und damit für eine klare Gliederung des Baukörpers lässt sich bereits in der Außenansicht deutlich ablesen, und findet sich dann auch im Inneren wieder. Etwa Gunda Schürmanns Vorliebe für das Quadrat, die ihr Mann u.a. mit dem Grundriss von 12 x 12 m berücksichtigte und kongenial mit eigenen Vorstellungen von Licht und Ordnung als wesentlichen Prinzipien der Architektur verbinden konnte. Denn das Innere ist von einer regelmäßigen Teilung in ein 3 x 4 m-Raster geprägt, das sich in allen Geschossen wiederholt:
Eigentümerwohnung © Gunda und Rainer Schürmann (Grafik vergrößern)
Die Regelmäßigkeit der Innenräume überträgt sich auf die Fassadeneinteilung, die durch die mittig gelegenen Loggien quasi in vier Ecktürme mit geschosshohen Eckfenstern gegliedert ist. Die in Grau ausgeführten Fugen unterstützen die Ausstrahlung der großen geschlossenen Ziegelflächen. Sie sind mit einem halben Stein als Vormauerschale ausgeführt. Der Läuferverband sorgt dabei für ein regelmäßiges, ruhiges Fugenbild, in dem die variantenreichen Oberflächen gut zur Geltung kommen.
Die Vormauerziegel variieren nicht nur nach Ton und Brandbedingungen in der Farbe, sondern auch in der Textur. Das ist möglich durch die Herstellung als Wasserstrichziegel: Dabei wird der Ton durch Drehtisch-Pressen gedrückt und Wasser als Trennmittel verwendet. Das sorgt für die unverwechselbare Oberflächenstruktur und den Unikatcharakter jedes Ziegels. Traditionelle, ursprünglich wirkende Formen bleiben dank des modernen Verfahrens lebendig.
Lichtmuster hinter perforierter Fassade
Da die Mittelachse des Gebäudes auf drei Seiten von den Rücksprüngen der offenen Loggien geprägt ist, wird der Lichteinfall bis tief ins Innere möglich. Bodentiefe Glaswände rahmen unter anderem diese Bereiche und sorgen für eine beeindruckende Transparenz und Lichtstimmung. Ein völlig anderes Lichtbild ergibt sich an der Eingangsseite durch die perforierte Fassade. Am genauen Muster hat das Bauherrenehepaar immer wieder getüftelt. Gunda Schürmann schichtete sogar verschiedene Probemauern und suchte bei Gängen durch die Stadt nach Beispielen für das „Häkelmuster“, wie sie ihre Idee augenzwinkernd nennt:
Das schließlich ausgewählte Bild entstand in einem ganzsteinigen Blockverband, der vom Fundament bis zur Dachkante reicht und lediglich seine Horizontalkräfte in die Geschossdecken leitet. Die Rückseite des Bereiches ist mit einer Plexiglas-Doppelstegplatte verschlossen. Witterung und Kälte bleiben also draußen, das Licht jedoch kann ungehindert eindringen. Einerseits um das unmittelbar dahinter liegende Treppenhaus zu beleuchten, andererseits um von dort durch die sich anschließende Glaswand Spiegelungen und Reflexionen in den Wohnräumen zu erzeugen.
Eigentümerwohnung © Gunda und Rainer Schürmann (Grafik vergrößern)
Sorgfalt bis ins Detail
Zwei vertikale Fugen trennen die gemauerte Lochfassade aus halben Steinen von den geschlossenen Flächen. Durch den Verschluss mit einer farblich angepassten dauerelastischen Dichtmasse, die zusätzlich besandet wurde, tritt die Fuge optisch dezent zurück. Lüftungsschlitze zur Entfeuchtung der zweischaligen Wand sind als offene Fugen oberhalb der Fenster angeordnet. Noch unauffälliger ist die ebenso ausgeführte horizontale Trennung in den geschlossenen Mauerabschnitten, die sich am Übergang vom zweiten zum dritten Geschoss befindet. Die ruhige Ansicht des Läuferverbands wird so kaum unterbrochen und die prägnante Ordnung der Fassade sowie die nuancierten Oberflächen der Wasserstrichziegel erzeugen gemeinsam die sowohl von der Gestaltungsfibel als auch von Schürmanns angestrebte klare, zeitlos klassische Architektur. Eine Interpretation des kubischen Stadthauses, die inzwischen auch verschiedene Jurys überzeugt hat, etwa beim Bauherrenpreis Bremen 2012, dem Brick Award 2014 (4er shortlist for International Projects) oder beim Fritz-Höger-Preis für Backstein-Architektur 2014 (Special Mention).
Weitere Informationen zu Wasserstrichziegeln können per E-Mail an Wienerberger angefordert werden.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
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- Hagemeister will Klinker fit machen für zeitgenössische Architekturen (4.6.2015)
siehe zudem:
- Klinkerfassade im Fassaden Magazin bei BAULINKS.de
- Literatur / Bücher über Klinker bei Amazon