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Zeitgemäße Interpretation einer Fachwerkfassade - digital gefräst für Alt-Sachsenhausen

(1.6.2015) Wie ein Ersatzbau harmonisch in ein bestehendes, historisch gewachsenes Umfeld eingefügt werden kann, und wie sich Eigenständigkeit und Modernität ebenso demonstrieren lassen wie Respekt vor dem Traditionellen, das ist jetzt in Frankfurt eindrucksvoll zu sehen: Der Bestandsbau war so marode, dass er sich nicht erhalten ließ. Der Neubau „Kleiner Ritter“ nimmt die alte Kubatur auf und setzt auf zeitgemäße Optik, indem eine kurvenreiche, sich verdichtende Linie, die im Rahmen eines digitalen Entwurfs und Fertigungsprozesses in StoDeco Plan-Fassadenplatten eingefräst wurde, an das einstige Fachwerk erinnert:

alle Fotos: Axel Stephan / Sto SE & Co. KGaA 

Viele, teils historische Häuser leiden in Alt-Sachsenhausen un­ter Übernutzung und ungenügender Wartung. Selbst eine um­fassende Sanierung kann sie nicht immer retten. Das erlebte jetzt ein Bauherr, der ein altes Dreier-Ensemble in der Kleinen Rittergasse erhalten wollte (siehe Google-Maps). Die stati­schen Schäden waren jedoch zu groß, um das Gebäude zu be­wahren. Weil das Ensemble in einem sogenannten „Vorbehalts­gebiet“ stand, musste die Denkmalschutzbehörde sowohl dem Abriss wie auch dem Neubaukonzept zustimmen.

Das „Kleiner Ritter“ genannte Projekt orientiert sich an der Kubatur seines Vorläufers, das Raumprogramm hingegen folgt heutigen Anforderungen an Wohn- und Geschäftsräume. Auch die Fassade ist keine Rekonstruktion, sondern zeigt selbstbewusst, dass hier ein neu­es Gebäude steht. Und doch taucht Fachwerk auf – als Abstraktion mit einer eigenen Geschichte.

„Das Fachwerk sollte als Nachbild erscheinen. Aus der Distanz betrachtet, lässt sich das Fachwerk erkennen, je näher ich komme, desto mehr löst es sich auf. Das heißt, die Vergangenheit wird immer verschwommener und besteht dann nur noch aus ein­zelnen Linien.“

Architekt Bernhard Franken begeisterte Bauherr und Denkmalschutz von dieser Idee. Aber Wie erzeugt man ein solches subtil wirkendes Nachbild? Franken erinnerte sich an den „Darmstädter Zitterstrich“ - jene Methode, die Handskizzen einst den Duktus zwischen Exaktheit und Unbestimmtheit verlieh. Dieses Relikt aus analogen Zeiten übersetzte Franken zusammen mit seinem Team in die digitale Welt - sprich in einen Algorithmus, mit dem ein Computer einen täuschend „echten“ Zitterstrich so produ­ziert, dass sich dessen Beweglichkeit beliebig parametrieren lässt. Schwingungslän­gen, Ausschläge, Verschlaufungen und Verdichtungen lassen sich wie seine Strich­stärke variieren. „Dennoch zittert die Linie zufällig“, erläutert Bernhard Franken.

Putzträgerplatte: Ideal für gefrästen „Darmstädter Zitterstrich“

Der Zitterstrich sollte schließlich als vertiefte Linie in der Fassade laufen - und sich dort verdichten, wo einst die Bal­ken des Fachwerks zu sehen waren. Nun musste der Zitter­strich nur noch auf die Fassade kommen. Versuche mit einer manuell geführten Oberfräse und mit einem 5-Achs-Fräsrobo­ter führten noch nicht zu einer baustellentaugliche Lösung. An dieser Stelle kam die Putzträgerplatte „StoDeco Plan“ ins Spiel: Gefertigt aus einem mineralischen Leichtwerkstoff, weist sie die notwendige Drucksteifigkeit und Feinporigkeit auf, ist massiv und nicht brennbar (A2-s1, d0). Die Tafeln, Leisten und Körper sind zudem frostsicher, schlagfest und durch das gerin­ge Gewicht (550 kg/m³) leicht zu verarbeiten - auch im Sinne des Denkmalschutzes.

Dass sich die Platten mit einer CNC-Fräse bearbeiten lassen, war schon vor diesem Projekt bewiesen: 2010 präsentierte Sto eine derartig bearbeitete Oberfläche. Sie war im Rahmen der „Trend-Collagen 2010/11“ entstanden. Für den „Kleinen Ritter“ fertigte die Verotec GmbH (ein Unternehmen der Sto Gruppe) eine neue Testfräsung. Das Ergebnis überzeugte die Planer, die Idee konnte Realität werden. Also zerlegte Projektarchi­tekt Robin Heather die Fassade oberhalb des mit Naturstein verkleideten Sockels in 144 unterschiedlich große Teilflächen, integrierte den Zitterstrich und stellte alles als Datensatz für die Herstellung in Lauingen zusammen. Dort kam die CAD-Fräse zum Zuge und schnitt den Zitterstrich in Form einer V-Nut ein. Jede Platte erhielt eine Nummer, um sie auf dem Verlegeplan klar identifizieren zu können.

Die Montage der Platten erfolgte direkt auf der dahinter liegenden armierten und ver­dübelten Dämmebene des EPS-basierten Fassadendämmsystems (StoTherm Vario).

Um die Forderung nach Putzoptik zu erfüllen, wurde die dreifache Deckbeschichtung leicht abgesandet – hellgrau ist die Oberfläche übrigens, damit das Licht- und Schat­tenspiel des Zitterstriches besonders lebendig wirkt. „Tatsächlich entsteht der Effekt des Zitterstriches nur durch Licht und Schatten, daher sieht er auch immer wieder anders aus“, freut sich Bernhard Franken. Man kann den Kleinen Ritter als Beitrag zur aktuellen Rekonstruktionsdebatte in Frankfurt und darüber hinaus sehen. Und auch als spannenden Ausblick auf das künftige Bauen mit digitalen Methoden und Prozessket­ten.

Weitere Informationen zur Putzträgerplatte StoDeco Plan können per E-Mail an Sto angefordert werden.

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