Bericht vom 7. Internationalen FBB-Fassadenbegrünungssymposium 2014 in Berlin
(9.12.2014) Beim 7. FBB-Fassadenbegrünungssymposium haben Experten in 16 Vorträgen zu verschiedenen Themen aus vier Themenkreisen referiert - und zwar ...
- Pro Fassadenbegrünung,
- Untersuchungen zur Fassadenbegrünung,
- Bau- und vegetationstechnische Grundlagen sowie
- Besondere Projekte.
Den Auftakt machte nach seiner Begrüßung FBB-Präsident Dr.
Gunter Mann mit der Vorstellung der Ergebnisse der FBB-Umfrage zur
Förderung der Bauwerksbegrünung. Der
Naturschutzbund Deutschland (NABU) und die FBB hatten Anfang
des Jahres eine Umfrage bei allen deutschen Städten ab 10.000
Einwohner durchgeführt. Ziel der Umfrage war es, Informationen
über direkte und indirekte Förderungen von Dach- und Fassadenbegrünungen und einen Eindruck zur Entwicklung des
Förderwesens in Deutschland zu gewinnen. Mit 510 Antworten konnte
eine starke Rücklaufquote von etwa 34% verzeichnet werden - siehe
auch Baulinks-Beitrag „Ergebnisse
der Städte-
Dipl.-Psych. Nicola Moczek, PSY:PLAN, stieg in den Themenblock „Pro Fassadenbegrünung“ ein mit ihrem Vortrag „Treppe, Fenster, Wand: Grün für Leib und Seele. Erfahrungen aus der Architektur- und Umweltpsychologie“. Ihre Hauptaussagen waren:
- Bevorzugte Landschaften sind nachvollziehbar, überschaubar, vielfältig und dennoch geheimnisvoll.
- Wirkung von Fassadenbegrünung: Begrünte Häuser werden als „schöner“ bewertet.
- Natur zeigt positive Effekte auf die körperliche und seelische Gesundheit.
Fazit und Ausblick: Es fehlen laut Moczek aktuelle, empirische Studien im deutschsprachigen Raum. Insbesondere fehlten Studien, ...
- welche die Sichtweisen von Hausbesitzern und Verwaltern, also den eigentlichen „Auftraggebern“ berücksichtigen,
- die sich auch mit möglichen Hemmnissen bzw. mit den Argumenten gegen eine Begrünung auseinandersetzen und
- die daraus Strategien für Gestaltung und Kommunikation ableiten.
Dipl. Biol. Gerd Wach, BUND, berichtete über seine Erfahrungen mit der Förderung von Fassadenbegrünungen am Beispiel Hannover. Innerhalb eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und von ABInBev (einem Brauereikonzern) geförderten Projektes sollte versucht werden, Dach- und Fassadenbegrünungen über ein Förderprogramm in dicht besiedelten Stadtteilen Hannovers von Gebäudebesitzern zu realisieren. Gemeinsam wurde ein Förderprogramm entwickelt, das eine Bezuschussung von einem Drittel der anfallenden Kosten vorsieht, wobei die maximale Fördersumme bei Fassadenbegrünungen bei 350 Euro liegt, bei mehrschichtigen Wandkonstruktionen (z.B. WDVS) erhöht sich die Summe auf 3.500 Euro. Zum Stand Ende Mai 2014 konnten laut Wach Fördermittel für Fassadenbegrünungen für sieben Objekte in einer Gesamthöhe von ca. 2.250 Euro ausgezahlt werden. Damit lagen die durchgeführten Begrünungen deutlich hinter den Erwartungen zurück. Abschließend müsse bei Fassadenbegrünungen festgestellt werden, dass der zeitliche Aufwand der Beratungs- und Aufklärungsarbeit bisher in keinem angemessenen Verhältnis zu den anschließenden realisierten Maßnahmen steht.
Nach einem Jahr intensiver Datenermittlungen konnten nun Prof. Dr.-Ing. Stephan Roth-Kleyer und B.Eng. Susanne Gunkel von der Geisenheim University die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie Vertikale Gärten Palmengarten Frankfurt a.M. vorstellen. Die Absicht, die Nord-Westgrenze des Palmengartens Frankfurt mit einem ca. 500 Meter langen und ca. 3 Meter hohen Vertikalen Garten zu versehen, war Auslöser Machbarkeitsstudie - siehe auch Baulinks-Beitrag „Machbarkeitsstudie „Vertikaler Garten am Palmengarten Frankfurt“ (fast) abgeschlossen“ vom 16.6.2014.
Dr.-Ing. Henning Günther von der Technischen Universität Berlin stellte in seinem Vortrag „Textile Trägermaterialien in der Vegetationstechnik begrünter Fassaden“ das Kooperationsprojekt „Hängende Gärten“ vor, das gefördert wird durch das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) und die Entwicklung eines vertikalen Begrünungssystems aus textilem Vegetationsträger mit angepasster Vegetation auf einem modularen Unterbau untersucht. Die Auswahl der Vegetation für vertikale, textile Begrünungssysteme muss demnach sowohl die besonderen Standortbedingungen wie die Feuchtigkeit auf dem Träger als auch die Expositionen der Wände in Städten berücksichtigen. Drei Pflanzengruppen bestehend aus 10 verschiedenen Arten wurden auf dem textilen Träger untersucht. Erste Beobachtungen liegen vor, mit den endgültigen Ergebnissen sei Ende 2015 zu rechnen.
„Energieeffizientes Bauen mit begrünten Fassaden“ war das Thema von Gast-Prof. Dipl.-Ing. Architektin, MLA Nicole Pfoser, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen (siehe Linkedin-Eintrag), die den im letzten Jahr erschienenen Leitfaden „Gebäude, Begrünung und Energie. Potenziale und Wechselwirkungen“ (siehe FLL-Online-Shop) vorgestellt hat. In der Einführung sprach sie über „Energieeffizientes Bauen“, das zunächst die bauliche und betriebstechnische Optimierung des Gesamtenergiebedarfs eines Gebäudes fordert, um den späteren Bedarf zu minimieren und zugleich eine komfortable Nutzung sowie Behaglichkeit im Gebäude zu gewährleisten:
- Energieverbräuche und Verluste sind zu minimieren (passive Strategien),
- Erneuerbare Energien sind zu erschließen (aktive Systeme mit möglichst regenerativen Energiequellen).
Ihr abschließendes Fazit war: für die Bewältigung der von der Natur vorgegebenen jahreszeitlichen Erfordernisse an unsere Wohn- und Arbeitstätten stehen uns gleichzeitig natürliche Lösungsbeiträge zur Verfügung. Mit der Möglichkeit eines gezielt bedarfsorientierten Einsatzes der Gebäudebegrünung haben wir ein kostengünstiges und vielseitiges Mittel zur Dämpfung der Temperaturextreme und zur synergetischen Unterstützung gebäudetechnischer Maßnahmen.
Dipl.-Ing. Marco Schmidt von der Technischen Universität Berlin ging in seinem Vortrag auf das gleiche Thema ein und berichtete über „Fassadenbegrünung zur Primärenergieeinsparung durch innovative Gebäudeverschattung und -kühlung“. Zwanzig unterschiedliche Arten von Kletterpflanzen wurden am Institut für Physik in unmittelbarer Nähe zum Veranstaltungsort in 150 Fassadenkübel an neun unterschiedlichen Fassaden gepflanzt.
Die Fassadenbegrünung stehe im unmittelbaren Zusammenhang mit der energetischen Gebäudeoptimierung:
- Im Sommer soll die Fassade begrünt sein, während das Sonnenlicht im Winter, wenn die Pflanzen unbelaubt sind, die Glasfassade ungehindert passieren kann.
- Ein zweiter Effekt ist die Erzeugung von Verdunstungskälte zur Verbesserung des Mikroklimas innerhalb des Gebäudes und im unmittelbaren Gebäudeumfeld.
Im Vergleich zum konventionellen Sonnenschutz seien die Ergebnisse zur Fassadenbegrünung als Einsparmaßnahme von Primärenergie extrem positiv. Gegenüber dem konventionellen Sonnenschutz werden im Jahresmittel 26% an Primärenergie für Büroräume an der südorientierten Fassade eingespart. Gegenüber Büroräumen ohne außen liegenden Sonnenschutz betrage die Energieeinsparung im Jahresmittel sogar 49%.
Im nächsten Themenblock ging es um Grundlagen der Bauphysik begrünter und unbegrünter Wände, vorgetragen von Jörg Brandhorst, Bauphysik–Planung–Ökologisches Bauen. Er verglich drei verschiedene Fassadentypen mit den folgenden Ergebnissen:
verputzte Fassade | hinterlüftete Fassade | begrünte Fassade |
hohe Temperatur- und Feuchtigkeitsdifferenzen an der Fassadenaußenseite: +37°C bis -8°C > 95% bis < 15% r.F. |
geringere Temperatur- und Feuchtigkeitsdifferenzen an der
Fassadenaußenseite: +35°C bis -6°C > 80% bis < 45% r.F. |
geringste Temperatur- und Feuchtigkeitsdifferenzen an der
Fassadenaußenseite: +33°C bis -5°C > 80% bis < 52% r.F. |
U-Werte: stationär: 0,42 W/m²K instationär: 0,22-0,37 W/m²K |
U-Werte: stationär: 0,40 W/m²K instationär: 0,19-0,34 W/m²K |
U-Werte: stationär: 0,40 W/m²K instationär: 0,08-0,35 W/m²K |
erhöhtes Schadensrisiko wegen hoher Temperatur- und Feuchtespreizung, geringer sommerlicher Wärmeschutz, normaler winterlicherer Wärmeschutz |
geringes Schadensrisiko wegen geringerer Temperatur- und
Feuchtespreizung, besserer sommerlicher Wärmeschutz, guter winterlicherer Wärmeschutz |
geringstes Schadensrisiko wegen kleiner Temperatur- und Feuchtespreizung, sehr guter sommerlicher Wärmeschutz, guter winterlicherer Wärmeschutz |
In dem Vortrag „Boden- versus wandgebundene Fassadenbegrünungen“ hat Prof. Dr. Manfred Köhler, Hochschule Neubrandenburg, die beiden Begrünungssysteme in Aufbau und Kosten miteinander verglichen: Bodengebunde Begrünungen sind demnach vergleichsweise einfach zu installieren.
- Die Herausforderungen liegen im Sockelbereich der Gebäude, hier sei ein ausreichendes Bodenvolumen für die Wurzelsysteme sicherzustellen und die Wurzeln müssten vom Gebäude weggeleitet werden.
- Eine Bewässerung sei in der Regel nur in der Anfangsphase erforderlich.
- Anspruchsvoller sei die Befestigung der erforderlichen Wandanker.
Bei den „wandgebundenen Begrünungen“ sind vier Grundprinzipien vorhanden: Gabionen, Kleine Kübel, Vertikalmodule, Geovliese. Grundsätzlich sind wandgebundene Fassadenbegrünungen losgelöst vom natürlichen Boden und müssen künstlich mit Wasser und Nährstoffen versorgt werden.
Bodengebundene Begrünungen sind in jedem Falle bei der Anschaffung und der jährlichen Wartung deutlich preisgünstiger als wandgebundene Begrünungen. Bei den wandgebundenen Systemen ist ein Vergleich zu technischen Jalousiesystemen sinnvoll. In die Kosten ist die fest installierte Aufstiegshilfe mit einzurechnen. Ohne eine automatisierte Bewässerung geht es nicht:
Technisches Jalousie-System | Bodengebundene Begrünung, z.B. mit Wisteria | Wandgebundene Begrünung | |
Installierungskosten in €/m² | ca. 250 | 120 | 450 - 2.000 |
Jährliche Unterhaltungskosten in €/m² | 2 | 2 | 2 - 25 |
Lebenserwartung der Begrünung in Jahren |
15-20 | 50 und mehr möglich, abhängig von der Pflege | 25-50 und mehr, bei regelmäßiger Wartung |
Stefan Brandhorst, Vertiko GmbH, hat aus seiner Praxis zur Pflege und Wartung wandgebundener Fassadenbegrünungen berichtet: Schon bei der Planung einer wandgebundenen Begrünung sei der dauerhafte Erhalt der Anlage durch fachlich ausgeführte Pflege und Wartung zu berücksichtigen. Dazu gehöre auch, dass die Zugänglichkeit durch entsprechende Einrichtungen wie Anschlagpunkte für die Seilklettertechnik oder geeignete Aufstellflächen für Hubsteiger, Gerüste o.ä. zu gewährleisten sei. Der Pflegeaufwand richte sich nach der Pflanzenauswahl und dem Anspruch des Kunden. Die meisten Hersteller gäben mindestens 2 Pflegegänge im Jahr an. Dies sei auch ausreichend, sofern die Pflanzen im Konkurrenzverhalten verträglich sind. Pflanzen, die andere bedrängen und deshalb im Zaum gehalten werden müssen, erforderten nachvollziehbarerweise einen höheren Aufwand.
Die wichtigsten Pflegetermine seien im Herbst und im Frühjahr. Abgestorbene, verblühte, störende oder zu lang gewordene Pflanzenteile würden dann geschnitten und entfernt.
Zum Abschluss des Fassadensymposiums stellten sechs Referenten aus den Reihen der FBB-Mitglieder wieder konkrete Fassadenbegrünungen in Kurzvorträgen vor und zeigten, dass die Fassadenbegrünung auch in Deutschland angekommen sei und auf dauerhaft funktionsfähige Beispiele verweisen kann.
Unterstützt wurde das FBB-Symposium auch durch die FBB-
Die Kurzfassungen der meisten Vorträge des 7. FBB-Fassadenbegrünungs- und des 12. FBB-Gründachsymposiums 2014 finden sich im „Jahrbuch Bauwerksbegrünung 2014“ wieder, das zum Preis von 10 Euro plus Versandkosten per E-Mail an FBB bestellt werden kann - siehe auch Nachbarbeitrag.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
ausgewählte weitere Meldungen:
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- Ergebnisse der Städte-Umfrage 2014 zur Förderung der Bauwerksbegrünung (13.10.2014)
- Pflanzen erobern die (Hochhaus)Architektur (30.6.2013)
- Kyocera pflanzt „Green Curtains”, um neue japanische Energiesparziele zu erreichen (6.9.2012)
siehe zudem:
- Fassadenbegrünung, vorgehängte hinterlüftete Fassade und Dachbegrünung bei Baulinks
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