Deutsche Möbelindustrie tritt auf der Stelle
VDM-Präsident Axel Schramm
(31.8.2014) Axel Schramm, Präsident des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie (VDM), erklärte bei der diesjährigen Jahres-Wirtschaftspressekonferenz des Verbandes in Köln, dass die deutsche Möbelindustrie im 1. Halbjahr 2014 ein Umsatzplus in Höhe von 1,6 Prozent erzielt habe. Damit trete die Branche wirtschaftlich auf der Stelle. Dies werde sich auch bis zum Jahresende nicht wesentlich ändern.
Auffällig ist, dass diese eher unterdurchschnittliche Entwicklung der deutschen Möbelindustrie in einem insgesamt sehr guten Marktumfeld in Deutschland stattfindet. Denn die Verbraucherstimmung ist laut GFK im August weiter gestiegen und liegt derzeit so hoch wie seit sechs Jahren nicht mehr - und das trotz internationaler Krisenherde, die eigentlich deutlich auf die Stimmung drücken müssten. Aber über allem stehen in Deutschland ein weiter robustes Wirtschaftswachstum, eine sehr dynamische Beschäftigungslage und steigende Einkommen. Zudem sind die Zinsen niedrig und das Bauaufkommen hoch. Über 200.000 neue Wohneinheiten in 2013 und ein Wohnungsbestand von knapp 40 Mio. Einheiten mit immensem Instandsetzungs- und Neu-Möblierungsbedarf bieten der heimischen Möbelindustrie viele Chancen.
Doch man schaffe es (noch) nicht, sich gegen die Konkurrenten im Kampf um das Portemonnaie des Verbrauchers erfolgreich zu behaupten, beklagt Schramm. Die Urlaubs- und Freizeitbranche sowie die Kommunikations- und Unterhaltselektronik können stärker punkten. Aber auch eine Möbel- bzw. Interieur-Branche kann und muss Begehrlichkeiten beim Endkunden wecken.
Und hier habe man mit der anerkannt guten Qualität der eigenen Produkte ein echtes Ass im Ärmel. Für die deutschen Hersteller sei Qualität unabhängig vom Preissegment selbstverständlich. Und sie sei zudem Teil der bereits seit Jahren vorhandenen Designkompetenz der deutschen Möbelindustrie. „Wir müssen es schaffen, die beiden Aspekte in Zukunft stärker miteinander zu verknüpfen und gemeinsam gegenüber dem Endkunden zu kommunizieren. Wir müssen klare Statements schaffen als deutsche Möbelindustrie, also als Möbel aus Deutschland erkennbar sein und nicht als Kopie der Stärke anderer,“ betont Schramm.
„Made in Germany“ deutlicher machen
Vor diesem Hintergrund setzt sich der Verband der Deutschen Möbelindustrie für eine europaweite verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Möbeln ein. Mit diesem obligatorischen „Made in Germany“ werd den Konsumenten neben dem Preis ein weiteres wichtiges Kaufargument an die Hand gegeben, das auch wichtige Informationen zu Herkunfts-, Sozial- und Qualitätsstandards gibt. Dies soll helfen, das gute deutsche Design zu kommunizieren. Das sei wichtig - so Schramm, denn Deutschland habe die Designerausbildung mit erfunden, habe heute international tätige Designer und bringe viel Nachwuchs hervor: „Wir sollten mit dem Understatement im Möbelbereich aufhören und den Gleichklang von Qualität und Design als klaren Wettbewerbsvorteil sehen und darstellen. Hier ist jedes Unternehmen gefordert. Manche sehen nämlich gar nicht, wie gut sie sind. Unter Design verstehe ich dabei nicht nur die Form, sondern immer auch ein Stück Funktionalität. Und auch Funktionen in Möbeln kann niemand besser als wir,“ ist sich der Präsident des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie sicher.
Um das eigene Qualitätsversprechen an die Kunden zu bringen, brauche man eine enge Partnerschaft mit dem Handel. Natürlich könne man sich über die Vermarktungspraktiken vieler Möbelhäuser ärgern. Und trotz anderslautender Ankündigungen regiere nach wie vor der Rotstift die Kreativabteilungen der Möbelpaläste. „So begeistert mich ,50 Prozent auf alles’ und dazu ein Wiener Schnitzel für 2,99 Euro natürlich überhaupt nicht. Aber wir müssen auch erkennen, dass wir Hersteller und der Handel in einem Boot sitzen und nur gemeinsam den Möbelabsatz in Deutschland steigern können - und ich spreche von Möbeln aus heimischer Produktion,“ erklärt Schramm.
Das Wohnbewusstsein der Bundesbürger steigt. Das ist eine Einladung an Möbelhandel und Möbelindustrie gleichermaßen. Die Deutsche Möbelindustrie müsse es vor diesem Hintergrund schaffen, dass der Möbelkauf als Teil des Lifestyles, als Herzensangelegenheit angesehen wird. Das gehe nur gemeinschaftlich mit dem Handel: etwa durch zielgruppenspezifische Präsentationen. Man müsse es schaffen, nicht nur über den Preis, sondern über Argumente zu verkaufen - wie ...
- Hochwertigkeit,
- Nachhaltigkeit,
- Umweltfreundlichkeit und
- Recycelbarkeit.
Bei billiger Import-Massenware gehe es ja nur um den niedrigsten Endpreis und nicht um Qualität. Die Konsumenten würden das Thema beispielsweise aus dem Bekleidungsbereich kennen. Hier sei jedem Käufer klar, dass manche Preise nur durch sehr geringe Material-, Produktions- und Qualitätsbedingungen zustande kommen. Ähnliches gelte für den Lebensmittelbereich. Und das sei bei Möbeln auch so. Hier müsse die Sensibilität der deutschen Verbraucher gegenüber dem heimischen Produkt steigen.
Vermarktung über das Internet - eine Herausforderung
Zudem müsse die Industrie gemeinsam mit dem Handel auch Antworten auf die Fragen finden, die die zunehmende Vermarktung von Möbeln über das Internet aufwirft.
Immer mehr Einrichtungsgegenstände werden mittlerweile über das Netz verkauft. Der zuletzt von der BBE Handelsberatung ermittelte Wert für den Online-Verkauf liegt bei 6,3 Prozent. Der Trend ist klar: Die Konsumenten informieren sich immer stärker im Netz und kaufen zunehmend auch auf diesem Wege ein.
Ein komplexes Kulturgut wie Möbel lasse sich jedoch nicht ausschließlich am Computer begutachten und schon gar nicht erleben, beton Schramm. Deswegen werde auch in Zukunft der stationäre Handel seine „überragende Bedeutung“ behalten. Beide Vertriebsformen seien wichtig und bedingen einander. Gemeinsam mit dem Handel werde man sich gleichwohl auf Veränderungen bei den Vertriebswegen einstellen müssen.
Klage gegen Subventionierung der polnischen Möbelindustrie
Um faire Marktchancen bemüht sich der VDM derzeit im Rahmen einer offiziellen Beschwerde bei der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission. So wurde Beschwerde gegen Subventionen an die polnische Möbelindustrie eingereicht. Sie richte sich gegen Beihilfen für den Kauf bzw. die Modernisierung von technischen Anlagen zur Herstellung von Kastenmöbeln im Rahmen des Europäischen Strukturfonds. Insgesamt, so die VDM-Argumentation, haben die Subventionen in Polen dazu beigetragen, dass sich die Importmenge polnischer Schlafzimmer in Deutschland zwischen 2008 und 2013 verdoppelt habe. Der Marktanteil polnischer Hersteller für Schlafzimmermöbel insbesondere im Mitnahmebereich sei in einzelnen Preissegmenten auf zwischenzeitlich fast 40 Prozent angestiegen. Obwohl sich die Beschwerde offiziell gegen Subventionen aus der vergangenen Förderperiode der Jahre 2008 bis 2013 richtet, erhofft sich der Verband eine stärkere Sensibilisierung der europäischen Vergabestellen für neue Subventionsanträge des Förderzeitraums 2014 bis 2020. Insofern setze man eher auf eine intensivere und kritischere Prüfung der in Polen vergebenen Strukturfondsmittel in der Zukunft denn auf eine Rückzahlung der in der Vergangenheit vergebenen Subventionsmittel.
Importware dominiert
Allgemein werde der Inlandsmarkt zunehmend dominiert von
Importware. Mittlerweile liege die Importpenetrierung - also der
Anteil der Importware an den in Deutschland verkauften Möbeln -
bei 58 Prozent. Und trotz schwierigem Marktumfeld in Deutschland
würden die Importe auch 2014 weiter steigen. Allein in den ersten
fünf Monaten 2014 legten laut VDM die Möbelimporte um 6,8 Prozent
auf 4,6 Mrd. Euro zu. Polen liege dabei nach wie vor unangefochten
an der Spitze der wichtigsten Ursprungsländer für Möbeleinfuhren
nach Deutschland und baue seine Position weiter aus: Von Januar
bis Mai des laufenden Jahres kletterten die Möbeleinfuhren aus dem
östlichen Nachbarland überdurchschnittlich schnell um 7,6 Prozent
auf 1,1 Mrd. Euro. Damit stamme in der Zwischenzeit jedes vierte
importierte Möbel aus Polen. Das zweitwichtigste Lieferland bleibe
China. Insgesamt konnten im bisherigen Jahresverlauf vor allem osteuropäische Länder wie Tschechien (+65,1%), Ungarn (+14,3%)
oder Litauen (+10,3%) ihre Lieferungen nach Deutschland kräftig
steigern. Demgegenüber gehen die Möbelimporte aus den
traditionellen Lieferländern wie Italien (-6,7%), Österreich
30% Exportquote unbefriedigend
Mit einer Exportquote von rund 30 Prozent bezogen auf den Industrieumsatz liegt die Möbelindustrie weit hinter anderen Industriebranchen in Deutschland. Deshalb sei es wichtig - so Schramm, „dass wir auf dem bereits eingeschlagenen Weg der Internationalisierung weitermachen“. Stichworte seihen hier ...
- mehr Exportaktivitäten,
- besseres Marketing und
- die Untermauerung derr hohen Qualitäts- und Designkompetenz.
Man müsse neue Zielmärkte aufbauen, auch in emerging markets. Daher seien Messebeteiligungen in China, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Russland so wichtig. Und deshalb nehme die Branche auch am Auslandsmesseprogramm des Bundes teil, in dem jährlich rund 10 internationale Messen gefördert werden. Im kommenden Jahr seien dies:
- Interior Mebel, Kiew, Ukraine
- Interzum Guangzhou, China
- MTKT innovation, Kiew, Ukraine
- Mosbuild, Moskau, Russland
- UMIDS, Krasnodar, Russland
- Index, Dubai, VAE
- Rooms, Moskau, Russland
- Hotel Show, Dubai, VAE
- Home+Building, Tokio, Japan
- Mebel, Moskau, Russland
Exporte auf breiter Front rückläufig
Die Bedeutung dieses Themas werde deutlich, wenn man bedenkt, dass der Export deutscher Möbel von Januar bis Mai 2014 insgesamt um 0,8 Prozent auf 3,8 Mrd. Euro sank. Die Ausfuhren in die EU-Länder gingen laut VDM um 0,4% zurück, die Exporte in die europäischen Länder außerhalb der EU um 1,5 Prozent. Schmerzliche Rückgänge von 5,1 Prozent verzeichnete der Absatz nach Asien. Die Ausfuhren in den wichtigsten Markt Frankreich sanken um 8,3 Prozent. Die Schweiz als zweitwichtigster Exportmarkt importierte 1,3 Prozent weniger Möbel aus Deutschland. Auch Österreich, das aktuell Platz drei im Gesamtranking belegt, entwickelte sich mit minus 4,1 Prozent nicht gerade erfreulich. Demgegenüber konnte der britische Markt seine Wachstumsschwäche überwinden und zeigt sich wieder robust - die Ausfuhren ins Vereinigte Königreich konnten in den ersten fünf Monaten 2014 um 8 Prozent gesteigert werden.
Der niederländische Markt - derzeit auf Platz vier im Exportranking - ist vor einigen Jahren regelrecht zusammengebrochen und hat sich seither nur bedingt erholt, die Möbelausfuhren dorthin gingen um 2,3 Prozent zurück. Schwierig ist es nach wie vor in den südeuropäischen Ländern.
Auch in Russland und China treffe man auf derzeit schwierige Märkte, wenngleich das Potenzial dort enorm sei Besser sollen die Geschäfte in Osteuropa und den USA laufen: Allein in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres könne ein Anstieg der deutschen Möbelexporte über den Atlantik um 7,2 Prozent verbucht werden.
Markteroberungen brauchen Vorbereitung, Geduld und Geld. Als deutsche Unternehmen müssen wir uns mit den Sprachen, Kulturen, Geschmäckern und den jeweiligen Kommunikationswegen auseinandersetzen. Gerade über das Internet und die sozialen Medien könne man als Mittelständler international gezielt und kostengünstig kommunizieren. Das sollte ebenso genutzt werde wie die internationalen Messepräsenzen unter Koordinierung des VDM. „Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man diese Schritte gehen muss und dass sich die Mühe lohnt,“ betont Schramm.
Im europäischen Vergleich proper aufgestellt
Insgesamt sieht der VDM die heimische Möbelindustrie gerade im
Vergleich zu den Hauptwettbewerbern Italien, Frankreich und
Österreich sehr gut aufgestellt. Deshalb werde man auch die
aktuellen Absatzprobleme im In- und Ausland überwinden und
mittelfristig wieder wachsen. „Denn mit unseren gut ausgebildeten
Fachkräften produzieren wir exzellente Möbel, die weltweit
ihresgleichen suchen,“ resümiert der VDM-
Mit Blick auf die Zahlen des 1. Halbjahres 2014 sei noch Luft nach oben. Die einzelnen Segmente der deutschen Möbelindustrie entwickelten sich in diesem Zeitraum dabei sehr unterschiedlich:
- Die deutsche Büromöbelindustrie wies mit einem Umsatz von rund 959 Mio. Euro ein leicht positives Ergebnis aus (+1,4%).
- Die Ladenmöbelhersteller lagen dagegen um 6,8% unter dem Vorjahreswert und erzielten einen Umsatz von rund 681 Millionen Euro.
- Die Küchenmöbelhersteller verzeichneten einen spürbaren Umsatzanstieg um 3,1 Prozent auf rund 2,2 Mrd. Euro.
- Ein Wachstum konnten auch die Hersteller von Wohnmöbeln vermelden, deren Umsätze von Januar bis Juni 2014 um 1,9 Prozent auf rund 3,9 Mrd. Euro zulegten. In diesem Wert sind auch die Polstermöbel enthalten, deren Wachstum ebenfalls 1,9 Prozent auf rund 526 Mio. Euro beträgt.
- Zum Gesamtergebnis tragen auch die Matratzenhersteller mit einem deutlichen Umsatzplus in Höhe von 8,7 Prozent auf rund 384 Mio. Euro bei.
In der deutschen Möbelindustrie arbeiten derzeit 84.220 Männer und Frauen in insgesamt 518 Betrieben. Zum Vorjahreszeitpunkt waren es 84.388 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 528 Unternehmen.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
ausgewählte weitere Meldungen:
- Deutsche Holz- und Möbelindustrie hat neue Doppelspitze (28.5.2014)
- Deutsche Möbelindustrie meldet für 2013 Umsatzrückgang von 3,5% (13.1.2014)
- 2013 wurden in Deutschland 3% weniger Möbel produziert (13.1.2014)
- 2013 wurden 1,1% mehr Bodenbeläge produziert ... dank Kunststoffbelägen (13.1.2014)
- China, USA, Italien, Deutschland, Japan ... Woher kommen eigentlich unsere Möbel? (24.11.2013)
- ostenlose Software „Auralisation von Büroräumen“ simuliert Raumakustik in Büros (18.10.2013)
- BDIA Handbuch Innenarchitektur 2013/2014 erschienen (23.6.2013)
- Büromöbel-Hersteller melden für 2012 zweigeteilte Entwicklung (15.2.2013)
- Deutsche Holzindustrie legte 2012 lediglich um 1% zu (15.2.2013)
- Parcs Toguna: vielleicht der kleinste Besprechungsraum der Welt (29.8.2012)
siehe zudem:
- Wohnmöbel, Küchenmöbel und Büro-/Objekteinrichtung auf Baulinks
- Literatur / Bücher über Innenarchitektur, Farbgestaltung und Beleuchtung bei Baubuch / Amazon.de