Dissertation: Gebäude automatisch klassifizieren
(27.7.2014) Die Planung von Städten, Infrastruktur oder Energieversorgung ist ohne Informationen zur Siedlungsstruktur nicht denkbar. Aussagen zu einzelnen Gebäuden waren bisher jedoch nur eingeschränkt möglich. Im Rahmen einer Dissertation hat Robert Hecht untersucht, wie sich Merkmale anhand von Geodaten automatisch erheben und Gebäude dadurch klassifizieren lassen. Nachzulesen ist dies in einem neuen Band der Schriftenreihe des Leibniz- Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR).
In Deutschland existiert ein riesiges Angebot an Karten und Geodaten, die Gebäude im Grundriss, zwei- oder dreidimensional abbilden. Für die Stadt- und Regionalplanung oder das Risikomanagement reichen diese Informationen jedoch längst nicht mehr aus. Gefragt ist konkretes Wissen über den Gebäudebestand bis hin zum einzelnen Haus oder Wohnblock. Diese Informationen automatisiert zu generieren, ist ein Aspekt der Forschungsarbeiten im Bereich Monitoring der Siedlungs- und Freiraumentwicklung. Mit seiner Dissertation hat Robert Hecht die Grundlagen geschaffen, Gebäude flächendeckend in ganz Deutschland automatisch zu klassifizieren. Anhand von Geobasisdaten und Kartenmaterial können sie identifiziert werden als ...
- Ein- oder Mehrfamilienhaus,
- Gründerzeit- oder DDR- Plattenbau,
- Wohn- oder Geschäftshaus.
Auf Basis dieses klassifizierten Gebäudebestandes lassen sich weitere Informationen ableiten, die nicht nur für Stadtplaner von Interesse sind.
„Eine manuelle Erhebung von Gebäudetypen ist extrem zeitaufwändig und nicht frei von subjektiven Einflüssen. Bisher genutzte automatisierte Verfahren hatten aber das Problem, dass sie noch nicht hinreichend an deutschen Geobasisdaten getestet wurden und zudem nicht flexibel genug arbeiten“, erklärt Hecht. Diese Defizite sollte die neue Methode nicht haben. Deshalb hat der Wissenschaftler verschiedene Verfahren untersucht und sich dann für ein maschinelles Lernverfahren entschieden. „Der Einsatz eines lernenden Verfahrens macht es möglich, verschiedene Datenbestände als Ausgangsmaterial zu verwenden. Das System muss lediglich anhand von Trainingsdaten lernen, Muster wiederzuerkennen“, erklärt Robert Hecht. Für seine Untersuchungen hat er eine Referenzdatenbank mit 800.000 Gebäudegrundrissen verwendet. Mit Hilfe dieser Daten ließ sich belegen, dass das Verfahren die untersuchten Grundrisse präzise den verschiedenen Gebäudeklassen zuordnet.
Für die Erhebung der Gebäudemerkmale werden ausschließlich amtliche Geobasisdaten genutzt, die fortschreibungspflichtig sind und damit auch in der Zukunft zur Verfügung stehen. Damit sollte eine zuverlässige Datenbasis gesichert und das Verfahren in ganz Deutschland anwendbar sein. Auch in Ländern mit vergleichbarer Datenlage könne es zum Einsatz kommen. Die Übertragbarkeit zwischen verschiedenen Regionen sei allerdings begrenzt. Differenzen in der Baukultur machten es erforderlich, dass zur Gebäudeklassifizierung Datenbanken mit regionalspezifischen Trainingsdaten verwendet werden.
Die mit dem Verfahren gewonnenen Daten sollen passgenaue Planungen möglich machen, da sich auf ihrer Grundlage auch Bevölkerungsverteilungen berechnen ließen:
- Für Kommunen werde damit zum Beispiel ersichtlich, wo zusätzliche Fahrradwege oder Spielplätze vonnöten seien.
- Die Regionalplanung könne entscheiden, wo neue Windkraftanlagen entstehen oder Gewerbeflächen eingespart werden können.
- Durch die Kombination der gebäudebezogenen Daten mit Gefahrenkarten lassen sich Informationen für den Katastrophenschutz oder die Gefahrenabwehr ableiten.
- Energieversorger oder Mobilfunkanbieter können die Daten für ihre Netzplanung nutzen.
Die Ergebnisse der Arbeit sollen in den Monitor der Siedlungs- und Freiraumentwicklung einfließen. Diese wissenschaftliche Dienstleistung des IÖR steht Interessierten im Internet frei zur Verfügung. Der IÖR-Monitor wurde mit dem Ziel entwickelt, Städte und Regionen bei der ressourcen- und flächenschonenden Entwicklung zu unterstützen - siehe u.a. auch Baulinks-Beitrag „IÖR-Recherchetool für die Stadt- und Regionalplanung grundlegend überarbeitet“ vom 24.1.2012.
Die bibliographischen Angaben zum Buch:
- Automatische Klassifizierung von Gebäudegrundrissen
Ein Beitrag zur kleinräumigen Beschreibung der Siedlungsstruktur - Band 63, IÖR Schriften, Berlin
- von Dr. Robert Hecht
- ISBN: 978-3-944101-63-7
- erhältlich beim Rhombos-Verlag
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- ImmBild und ImmoAge: Hausbesichtigung per Satellit (9.10.2017)
- Kommunale Gründach-Strategien auf 48 Seiten (12.9.2016)
- „Urban Voids“: Städtische Lücken suchen, finden und neu integrieren (1.11.2015)
- Green Roof Leadership Award für die fernerkundliche Identifizierung von Gründächern (20.4.2015)
- Intergeo: 3D-Stadtmodelle sind längst kein Selbstzweck mehr (27.9.2014)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- Memorandum „Klimagerechte Stadt“ fordert integrierte Stadt- und Infrastrukturplanung (27.7.2014)
- World Urbanization Prospects: 2050 werden zwei von drei Erdenbürgern in Städten leben (13.7.2014)
- Handbuch „Städtebaurecht“ in 5. Auflage erschienen (22.6.2014)
- IÖR und TU Dresden kooperieren beim ökologischen und revitalisierenden Stadtumbau (22.6.2014)
- Kommunen könnten Brachen und Baulücken besser nutzen - wären sie bekannt (13.4.2014)
- Jede Menge Geodaten und Metadaten online (16.2.2014)
- Migration und Stadt in den „Informationen zur Raumentwicklung“ (19.1.2014)
- „DVD INKAR 2013“: Interaktiver Atlas veranschaulicht Lebenslagen in Deutschland und Europa (22.12.2013)
- Gebäude, Straßen und andere künstlich angelegte Flächen bedecken 5% der EU (27.10.2013)
- Thermografie von Gebäuden und Quartieren aus der Luft (13.5.2013)
siehe zudem:
- Stadtplanung, GIS und kommunale Verbände auf Baulinks
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