PET-Flaschenböden gestalten die Erweiterung des Vorarlberg Museums in Bregenz
(19.8.2013) „Durch die vorgesehene Ergänzung entsteht ein in Summe monolithisches Bauwerk, dessen eigenständige Präsenz ebenso wie die vielfältigen kontextuellen Bezüge überzeugen. Es hält kraftvoll Balance zwischen Einfügung und Autonomie“, so begründete die Jury ihre Entscheidung zur Umsetzung des Entwurfs des Büros Cukrowicz Nachbaur Architekten für die Erweiterung des Vorarlberg Museum in Bregenz (siehe Google-Maps).
Mit dem Vorarlberg Museum wurde die Kulturzone zwischen dem Ufer des Bodensees und der kompakten Bregenzer Innenstadt weiter ausgebaut, indem der denkmalgeschützte Gebäudebestand der historischen Bezirkshauptmannschaft in wesentlichen Teilen erhalten und der gesamte Komplex verdichtet wurde. Das bestehende Gebäude wurde um zwei Geschosse und das Museum durch einen, der Innenstadt zugewandten fünfgeschossigen Neubau erweitert. „Gebäudebestand, Aufstockung und Neubau bilden mit einer klaren und kompakten Gebäudefigur eine neue Großform:
Durch das Freihalten der bestehenden spitzen Südecke des Museums und das Knicken der Südwestfassade im Übergang zwischen Alt und Neu generiert sich eine neue städtebauliche Situation. Das Gebäude ist nicht mehr nur reine Platzbegrenzung, es positioniert sich nun als Solitär eigenständig. Der See wird im Bereich Rathausstraße/ Kornmarktplatz durch erweiterte Blickbeziehungen erlebbarer und präsent und wirkt positiv ins Stadtgefüge“, so Andreas Cukrowicz.
Kunst am Bau
Die verschiedenen Bauabschnitte werden durch unterschiedliche Fassadenstrukturen und Oberflächentexturen sichtbar gemacht und gleichzeitig durch die einheitliche Farbgebung zu einer Einheit geformt, auch hier liegt die Interpretation der symbolhaften Anbindung der Vergangenheit an die Gegenwart des Landes nahe, ohne sich hierbei jedoch dem Verdacht der Plumpheit auszuliefern.
Bild aus dem Beitrag „Neunmal Gold (von 455 eingereichten Arbeiten) beim best architects 14 Award“ vom 22.7.2013 (Foto: Adolf Bereuter, Bild vergrößern)
Die wohl beeindruckendste Oberfläche ist ein Betonrelief auf der Fassade des Neubaus mit einer Größe von zirka 1.300 Quadratmetern, das in Zusammenarbeit mit den Architekten Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur und dem Südtiroler Künstler Alois Mayr entstand. Das Relief besteht aus 16.656 Betonblüten, die aus einer glatten, fugenlosen Sichtbetonfläche herauswachsen. Die Blüten selbst sind aus Abdrücken von Böden von handelsüblichen PET-Flaschen entstanden, die seit den 1970er Jahren verwendet werden (Bild unten)
Der Künstler ließ sich dabei von Fundstücken und Sammlungsteilen aus dem Fundus des Museums selbst inspirieren; die Sammlung enthält eine große Zahl an historischen Behältern und Gefäßen aus Ton oder Glas, die von den Römern teilweise in Massenproduktion hergestellt wurden. Die Anbindung des Museums an die Gegenwart mittels einer Massenware aus Kunststoff ist eine ebenso nahe liegende wie geniale Idee des Künstlers Mayr und die Realisierung des Entwurfs in Beton eine logische Folge dieses gedanklichen Ansatzes.
Alleine die Erhebungen der Fassade, aus der die Abdrücke der Flaschenböden bis zu 45 mm herausragen, ließen die übliche Vorgehensweise bei der Herstellung der Negativabdrücke für den Guss der Matrizen bei der Firma Reckli gar nicht erst zu. Üblicherweise werden die Negativabdrücke der Matrizen mit der CNC-Maschine aus MDF-Platten gefräst, bevor sie mit Elastomeren gegossen werden. In diesem Fall wurden die abgeschnittenen Böden der vom Künstler ausgewählten PET-Flaschen für einen Positivabdruck ausgegossen. Diese Abdrücke wiederrum wurden mit Holzzapfenverbindungen anhand der Pläne des Künstlers auf einer MDF-Platte montiert. Anschließend wurden die Matrizen in individuell hergestellten Schalungen in mehreren Schritten gegossen.
Die Pläne für die Matrizen waren durch Manfred Alois Mayr sowie den Zürcher Künstler und Mathematiker Urs Beat Roth derart ausgeklügelt angefertigt worden, dass pro Geschoss nur drei miteinander kombinierbare Hauptmatrizen und die für Ecken und Leibungen notwendige Zusatzmatrizen ausreichten, um die gesamte Fassade mit dem unregelmäßigen Muster zu gestalten, das das Konzept von Mayr vorsah.
Die Hauptherausforderung vor Ort war die Anforderung von Architekten und Künstler, die Fassade fugenlos zu gestalten. Die ARGE stellte die 17cm dicke Betonscheibe mit den Blüten daher stehend vor Ort her; sie wurden in einem Verlauf vor 25 cm Wärmedämmung und 30cm Stahlbetonwänden gegossen. „Die stehende Herstellung machte die Entlüftung der Ausstülpungen erheblich schwieriger als es bei einem liegenden Guss der Fall wäre. Um ein perfektes Resultat erzielen zu können, haben wir in etlichen Vorbereitungsschritten verschiedenste Betonmischungen ausprobiert, bis die richtige gefunden wurde“, so der Bauleiter der ARGE Eberhard Fiel (Hiliti & Jehle).
Zum Einsatz kam für die Herstellung der Fassade schlussendlich selbstverdichtender Beton mit einer extrem hohen Viskosität und einem maximierten Anteil an weißen Pigmenten, um der Farbgebung des Gesamtkomplexes entsprechen zu können. Dieser wurde völlig blasenfrei und mit größter Vorsicht in die hoch druckfesten und perfekt dichten Schalungen gefüllt, die dem enormen Innendruck in den sechs Meter hohen Schalungselementen standhalten mussten.
Bautafel:
- Projekt: vorarlberg museum Bregenz (A)
- Architekt: Cukrowicz Nachbaur Architekten ZT GmbH
- Bauherr: Land Vorarlberg (A)
- Kunst am Bau (Fassade): Manfred Alois Mayr, Bozen (I)
- Fassadenherstellung: Arbeitsgemeinschaft Landesmuseum Bregenz – Schertler-Alge GmbH (inzwischen i+R Gruppe), Hilti & Jehle GmbH, Rhomberg Bau GmbH und Jäger Bau GmbH
- Individualmatrizen: Reckli, Herne
- Fotos (außer dem aus dem best architects 14 Award-Beitrag): BetonBild
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Heller Leichtbeton als Sichtbeton für die wiederaufgebauten Dessauer Meisterhäuser (24.6.2014)
- Architekturpreis Beton 2014 (Anerkennung) für die Hochschule für Fernsehen und Film (3.6.2014)
- Architekturpreis Beton 2014 (Anerkennung) für das Besucherzentrum am Herkules, Kassel (3.6.2014)
- Architekturpreis Beton 2014 für Grundschule am Arnulfpark, München (3.6.2014)
- Architekturpreis Beton 2014 für „Tour Total“ (3.6.2014)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
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- Strukturmatrizen für individuelle Sichtbeton-Oberflächen (8.7.2011)
- Vorbild Octopus? Beton-Noppen aus Strukturmatrizen prägen Kunsthalle (19.8.2008)
siehe zudem:
- Sichtbeton, Betonbau, vorgehängte hinterlüftete Fassade im Fassaden-Magazin auf Baulinks
- Literatur / Bücher zu den Themen Fassade und Metallbau bei Baubuch / Amazon.de