Die Bundesvereinigung der Prüfingenieure fordert schärfere Kontrollen
(30.9.2007) Am Rande der diesjährigen Jahrestagung, die in enger Bindung zum internationalen Brücken Symposium der IABSE unter Koordination der Bauhaus Universität Weimar stattfand, warnte Präsident Dr.-Ing. Hans-Peter Andrä am 21.9. in Weimar vor den Folgen zurück gehender Investitionen im Verkehrshaushalt des Bundes für die Sanierung von Brückenbauwerken. "Es ist fahrlässig, die Investitionen für die Verkehrsinfrastruktur in den kommenden Jahren nicht auf den Bedarfsfall einzustellen und sogar weiter zu kürzen, obwohl eine Sanierungswelle bei den Brücken bevorsteht," so Dr. Andrä. Schon heute würden viele Bauwerke nicht ausreichend überprüft und in Stand gesetzt. 15 Prozent der Autobahnbrücken hätten Mängel.
Der Rückgang bei der Überwachung von Bauwerken sei in allen anderen Bereichen ebenso festzustellen. Die Prüfingenieure fordern mehr Verbraucherschutz. "Bad Reichenhall scheint vergessen zu sein. Bund, Länder und Kommunen kontrollieren immer weniger, erklärte der BVPI-Präsident. 52 Prozent aller Bauwerke, die unmittelbar nach dem Unglück in Reichenhall geprüft worden waren, hatten starke Mängel. Aber auch im Ein- und Zweifamilienhausbau stieg bei Neubauten die Zahl der Schadensfälle in den letzten fünf Jahren um rund 30 Prozent. Im Ein- und Zweifamilienhausbau müsse in den nächsten fünf Jahren mit einer Welle an Folgeschäden gerechnet werden.
Die Ursachen dafür seien immer mehr Pfusch und das Ergebnis des Deregulierungswahns in Deutschland. Dr. Andrä fordert Änderungen in der Gesetzgebung. Baurecht und Verbraucherschutz dürften kein Widerspruch sein. "Der Staat hat die Verantwortung für Sicherheit. Wer deregulieren will, muss auch sicherstellen, dass die wenigen Vorschriften, die es noch gibt, auch eingehalten werden", so der Präsident. Das politische Ziel, um Kosten zu sparen, auf die Überprüfung und Überwachung vieler Bauten zu verzichten und die Verantwortung auf den Betreiber abzuwälzen, habe verheerende Folgen. Hinzu komme ein starker Rückgang bei fachkompetenten Mitarbeitern in den Bauämtern. Die Behörden achteten heute nur noch auf die Einhaltung der Bebauungspläne. Ob das Gebäude überhaupt standsicher ist, werde nicht mehr überprüft.
"Gebäudesicherheit darf nicht länger nur noch nach ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt werden. Der Schutz des Verbrauchers muss oberste Priorität haben. Was bei Lebensmitteln selbstverständlich ist, muss auch für Gebäude gelten", so Dr. Andrä.
Die Entwicklung in Deutschland steht im krassen Gegensatz zu der in den europäischen Nachbarländern. Während in Deutschland die Deregulierung einen Raubbau an der Qualität betreibt, kopieren immer mehr Länder das frühere deutsche Prüfwesen. Norwegen beispielsweise hat aus den Erfahrungen mit laxen Bauvorschriften mittlerweile Konsequenzen gezogen und die bautechnische Prüfung nach deutschem Vorbild eingeführt. Nähere Informationen: Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik e.V.
Übrigens: Mit Sorge beobachten die Prüfingenieure auch die Diskussion um Gigaliner. Es gebe bislang keine zuverlässigen Berechnungen darüber, wo die Grenzen der Belastbarkeit von Brücken sind. Dr. Andrä bezweifelt, dass herkömmliche Brücken das kräftig wachsende Güterverkehrsaufkommen in Verbindung mit Gigalinern aushalten. Die bisher noch vorhandenen Reserven bei der Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit der Bauwerke seien allmählich aufgebraucht.
siehe auch für weitere Informationen:
- Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik e.V.
- IABSE - International Association for Bridge and Structural Engineering
- Mehr Verkehr, höhere Lasten, marode Brücken: DBV veröffentlicht Brückenstudie (14.11.2011)
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siehe zudem: