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Ein "Haus für die Zeit" mit präzise geplanter Klinkerfassade

(3.9.2007) Am Monatsende wird es spannend, wenn die Datumsanzeige wie von Geisterhand getrieben auf den 1. springt - egal, ob vom 28., 29., 30. oder 31. des Vormonats. Der ewige Kalender knüpft an das Erbe großer Uhrmachertradition an, ein Höchstmaß an Präzision, die sich dann auch im neuen Domizil der Uhrenfabrik Chronoswiss in Karlsfeld bei München wiederfinden sollte (siehe auch Bing-Maps und/oder Google-Maps). Das war - kurz zusammengefasst - die Vorgabe des Bauherrn, die dann sehr sorgfältig recherchiert und bis ins letzte Fertigungsdetail durchgeplant von den Münchener Architekten Weickenmeier, Kunz + Partner aufgenommen und umgesetzt wurde.


Die Corporate Identity des Unternehmens sollte gebaut werden, ablesbar in der Architektur. Klassischen Vorbildern entsprechend waren die Funktionen Präsentation, Produktion, Entwicklung, Verwaltung und Marketing ganzheitlich unter einem Dach zu entwickeln. Inhaltlich und formal sollte damit dieser neue Typus einer Uhrenmanufaktur der Logik und Präzision eines Uhrwerks entsprechen, in dem alle Teile sinnfällig ineinander greifen; d.h. Architektur und Inhalt gehen eine Symbiose ein, die außen und innen ablesbar ist, verifiziert in ökologischer Bauweise und ausschließlich mit Materialien, die zeitlos, klassisch, tradiert und regional nachweisbar sind: Mauerziegel, Terrakotta, Stahl, Aluminium, Kupfer und Glas im Außenbereich, Eiche, Solnhofer Schiefer, Gips und Filz im Inneren des Gebäudes.

Dreischichtig gegliedert

Zur Verfügung stand ein etwa quadratisches Grundstück von 1520 m² mit einer sich im Norden anschließenden Wohnbebauung und der Erschließungsstraße im Süden (siehe auch Bird's Eye View in Bing-Maps). Das in seinen Grundzügen dreigeschossige Gebäude ist gekrönt von einem zurückspringenden Geschoss mit Tonnendach und davor liegenden Terrassen. Im Erdgeschoss (Zeichnung) erschließt eine zweigeschossige Eingangshalle den Empfangsbereich mit Sekretariat und Gästelounge sowie das sich über alle Etagen entwickelnde Uhrenmuseum im Zentrum des Hauses. Dahinter gelagert sind die Räume für die Buchhaltung, für Versand und Marketing sowie für die Kundenberatung. Dazwischen eingestellt ist eine massive Kernzone mit den notwendigen Servicefunktionen wie Treppe und Lift, Sanitärräumen, Teeküche u.ä.. Im Obergeschoss mündet die zweigeschossige Eingangshalle ein und erschließt hier neben dem Bereich der Geschäftsführung die essentiellen Flächen für Produktion und Service, für Entwicklung und Qualitätssicherung. In dem das Gebäude abschließenden Dach- und Staffelgeschoss schließlich befindet sich u.a. ein großer zentraler Raum für Präsentation, Konferenzen und Schulungsveranstaltungen. Mit dem Produktionsbereich im Obergeschoss (Zeichnung), d.h. auf der sogen. "Beletage" des Hauses, gleichsam eingefasst von den dienenden Funktionen sowohl auf gleicher Ebene als auch im Erd- und Dachgeschoss, entwickelte das Büro Weickenmeier, Kunz + Partner eine "architecture parlande", die diese Funktionen außen und innen ablesbar macht. Ihre Verzahnung erfolgt über eine zentrale Mittelachse, der eine Rotunde durch alle Geschosse hindurch umschrieben ist: das Uhrenmuseum.

Die Fassade artikuliert diese Dreierschichtung wiederum mit drei unterschiedlichen Fenstertypen: das stehende Rechteck im Erdgeschoss mit einem Breitenverhältnis von 1:1 zu den jeweils dazwischen verbleibenden massiven Wandanteilen, dem liegenden, mit einem Segmentbogen überspannten Fenster im Obergeschoss, das in den Zwischenräumen nur noch einen schmalen Pfeiler belässt, und schließlich im Dachgeschoss, in maximaler Auflösung, eine geschosshohe Pfosten-Riegel-Konstruktion in Stahl und Glas.


Maßordnung griechischer Tempel

Viele der geometrischen, axialen und radialen Ordnungssysteme des Gebäudes stehen im Zusammenhang mit den Funktionsabläufen im Inneren. Sie bilden das Rückgrat des Hauses in der Vertikalen ebenso wie in der Horizontalen. Sichtbar werden sie durch eine klare harmonische Maßordnung, d.h. Proportionen von 3:5 in jeweils größtmöglicher Annäherung, wie sie bereits den griechischen Tempeln zugrunde lagen. Dies gilt sowohl für den Grundriss, der 15 x 25 m misst, ebenso aber auch für den Aufriss der Giebelansichten, bei denen fünf Module in der Breite dreien in der Höhenentwicklung entsprechen (siehe auch Ansicht rechts vergrößert). Die kleinste geometrische Einheit, die diesen Proportionen folgt, beträgt für dieses Haus 1,25 m. Auf dieses Modul reduzieren sich beispielsweise die verschiedenen Fenster sowie Details in der Eingangssituation. Schließlich wurde diese Maßordnung soweit herunterdekliniert, dass auch die einzelnen Steine der maßgeschneiderten Klinker-Fassade ihr entsprechen. So ergeben beispielsweise drei Steinhöhen die Höhe des Fenstermoduls.

Die Form jeglicher Architektur, ihre Gestalt, ist geprägt vom Ort, von den inneren Funktionen und Funktionszusammenhängen und nicht zuletzt von Material und Konstruktion. So verstand es sich fast von selbst, dass das Gebäude in Ziegel gemauert sein sollte, stabil und dauerhaft, tradiert massiv. Davon zeugen die großen geschlossenen Wandflächen, die sich mit zunehmender Lastreduktion nach oben auflösen. Bautechnisch bestehen die Außenwände aus einem inneren Kern, der statische Funktionen übernimmt, einem wärmegedämmten Hochlochziegel-Mauerwerk, das mit nur wenigen Stahlbetonstützen auskommt, und schließlich einer selbsttragend davor gestellten, hinterlüfteten Sichtmauerwerksschale aus Klinker, die im klassischen Verband mit Fugenhalbierung gefügt ist. Alle übrigen Aussenbauteile wie Pergola, Balkone, Geländer bestehen aus Stahl und sind in der Farbe grün in das Farbkonzept der Firmen-CI eingebunden.

Individuell geplante Klinkerfassade

Die Fassade wurde mit einem großformatigen Klinker der Firma Girnghuber, Farbbezeichnung "Taranto", in der Fläche überwiegend im Modulformat 490/90/190 erstellt. Um Einheitlichkeit und Ruhe in das äußere Erscheinungsbild zu bringen, wurden von dem Hersteller sich in der Ansicht wiederholende Formsteine entwickelt und geliefert, wie beispielsweise für Ecken, Stürze, Fensterbänke, Brüstungsabdeckungen und nicht zuletzt auch für die Rundfenster im Eingangsbereich. Außergewöhnliche Sonderanfertigungen nach Maßvorgaben der Architekten wurden darüber hinaus erforderlich für die breiten, geraden als auch gebogenen Fertigteilstürze im Erd- und Obergeschoss, ebenso wie für die groß dimensionierten Sockelsteine mit Sichtflächen bis zu 600 x 590 mm, die dem Haus eine betonte Bodenhaftung verleihen.

Gleichzeitig verlangte der hohe Anspruch an die Fassade außergewöhnliche Anstrengungen bei der Verarbeitung. Um bei dem nach oben hin immer transparenter werdenden Gebäude die sich schließlich in schmale Pfeiler auflösende Klinkerfassade statisch zu halten, musste sie auf besonderen Stahlkonsolen gelagert werden. Gleichzeitig waren die materialbedingten Dehn- und Arbeitsfugen derart in die Steinfassade einzuplanen, dass das ganzheitliche Bild des Gebäudes nicht beeinträchtigt wurde. So sind z.B. bei großen Flächen die vertikalen Dehnfugen mittig zwischen den Fenstern angeordnet; dabei verspringen sie mit dem Mauerwerksverband. Bei den Pfeilern liegen sie im unmittelbaren Übergang zum Fenster. Die horizontalen Dehnfugen verlaufen vorzugsweise unter den Fensterbrüstungen.

Fertigteile schließlich, wurden fast ausnahmslos vor Ort betoniert, was eine hohe Schalungstechnologie erforderte. Rohbaubedingte Maßdifferenzen konnten auf diese Weise ausgeglichen werden; die Mauerwerksqualität wurde damit zusätzlich verbessert. Alles in allem resultierten aus dem hohen Anspruch des Bauherrn sehr eng gefasste Vorgaben, die es erforderten, die Werksplanung zu überspringen und sofort in die Detailplanung einzusteigen. Die Ergebnisse wirkten folglich dann auch gewerkeübergreifend unmittelbar auf den Rohbau ein, sodass die Ausführung dieser Klinkerfassade problemlos zu der jetzigen Perfektion vollendet werden konnte.

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