Wandbelag auf Keramikbasis: "Marmor von der Rolle"
(12.6.2006) Creavis Technologies & Innovation (Marl), die Forschungs- und Entwicklungseinheit der Degussa AG, hat unter der Bezeichnung ccflex eine flexible Keramik zur Marktreife gebracht, die als strapazierfähiger, pflegeleichter Wandbelag Fliesen und klassischen Tapeten Konkurrenz machen soll. Die hohe Wasserbeständigkeit sei nur eine von vielen nützlichen und neuartigen Eigenschaften, die auf die keramische Basis des Materials zurückzuführen seien.
Auf Grund ihrer keramischen Natur ist ccflex kratz- und schlagfest, chemikalienbeständig sowie stabil gegen ultraviolette Sonnenstrahlung. Zudem widersteht es Feuer und Flamme. Vor allem aber ist es wasserbeständig und trotzdem atmungsaktiv - ein wichtiger Unterschied zu beispielsweise PVC- und Vinyl- Tapeten. Und ein weiterer Vorteil: "Unser Produkt ist als Rollenware einfach zu handhaben", so Michael Schulze, der innerhalb der Creavis für den Verkauf und das Marketing von ccflex verantwortlich ist. Da das Material fugenlos verlegt wird, gibt es zudem wenige Ansatzpunkte für Schmutz oder Schimmel. Verarbeitet wird es in der Regel mit einem herkömmlichen Dispersionskleber. Dabei zeigt sich ein weiterer Pluspunkt: Bei einem Wohnungswechsel oder einer Renovierung lässt sich der Wandbelag wieder einfach entfernen.
Eigenschaften nach Maß: geringe Keimbildung, hohe Schmutzabweisung
Die Produkteigenschaften von ccflex können in weiten Grenzen für
spezifische Anwendungen maßgeschneidert werden. So ließe sich durch eine
entsprechende Ausrüstung die Bakterienausbreitung erheblich verringern und auch
die Schimmelbildung unterdrücken. Zusätzlich kann die flexible Keramik mit
weiteren funktionalen Oberflächeneigenschaften ausgerüstet werden. Dazu zählt
zum Beispiel die besonders gute Reinigungsmöglichkeit (Easy-to-Clean). Denkbare
Anwendungen von ccflex sind also unter anderem Wandbeläge in
Grundlage von ccflex ist eine von Degussa in ihrem Science to Business Center Nanotronics (Marl) entwickelte und patentierte Technologie. Sie erlaubt es, ein flexibles Trägermaterial, z.B. ein Polymervlies (1), in einem kontinuierlichen Prozess keramisch zu beschichten (2) und mit weiteren anorganischen Deckschichten zu versehen. Dieses Verfahren verspricht große Vorteile: Im Normalfall erhalten keramische Materialien erst bei hohen Temperaturen ihre Festigkeit. Fachleute sprechen hier vom Sintern. "Uns ist es gelungen, diese Temperaturen, die einen hohen Energieverbrauch mit sich bringen würden, deutlich zu reduzieren", erklärt Dr.Martin Wille, im Bereich ccflex für Produktion und Technologie zuständig. Dank des besonderen Know-hows gelänge die Verankerung und Verfestigung der Keramik auf der Kunststoff-Matrix bei nur rund 250°C, bis zu 1.000°C niedriger als bisher. Dabei komme es zu einer besonderen Art "Verklebung" zwischen Träger und Beschichtung - das Material werde keramisiert. Nach der möglichen Bedruckung (3) wird dann eine transparente Topcoat-Beschichtung (4) aufgebracht. Der komplette Prozess ist patentiert wie auch die spezielle Anwendung.
Große Gestaltungsmöglichkeit durch Einfärben oder Bedrucken
Zur Gestaltung kann das keramische Material, das aus einer Mischung verschiedener Metalloxide besteht, eingefärbt werden. Alternativ erfolgt nach der thermischen Behandlung die Ausstattung mit Dekoren oder Motiven, die die Partnerfirma Kreativa Tapeten GmbH (Hohenberg, Fichtelgebirge) übernimmt. Diese Verschönerung kann durch herkömmliche Bedruckungsprozesse wie Flexodruck erfolgen. Abschließend wird in jedem Fall der wasserabweisende Topcoat als Oberflächenversiegelung und eine Rückseitenbeschichtung für die Verklebung aufgebracht.
Nach der Qualitätskontrolle wird das Produkt in Zusammenarbeit mit der Partnerfirma auf genormte Abmessungen zugeschnitten und versandfertig verpackt. "Derzeit fertigen wir 25-Meter-Rollen mit 70 Zentimetern Breite, Ende des Jahres werden auch 100 Zentimeter zur Verfügung stehen", so Schulze. Inzwischen hat Creavis eine weitere Produktionsanlage erworben, die in diesem Jahr in einer eigenen Halle in Betrieb gehen wird. Hiermit können bis zu 150 Zentimeter breite Rollen gefertigt werden, die dann neue Märkte bei der Beschichtung von Möbeln oder Arbeitsflächen erschließen sollen.
Um das Know-how im Bereich flexibler Keramik zu schützen, übernimmt Degussa die Vermarktung des neuen Produkts selbst. Auf Grund der bemerkenswerten Resonanz, die sich in den zurückliegenden Monaten sowohl auf der Messe "Material Vision" als auch auf der "Heimtextil" gezeigt habe, will das Unternehmen bis Ende 2007 mehr als eine Million Quadratmeter verkaufen. Erste Ansprechpartner sind Architekten, Fachbetriebe und große Wohnungsbaugesellschaften. Interesse habe bereits die Wohnbau Rhein-Lippe signalisiert, die zum RAG-Konzern gehört und Sanierungen an ihrem Bestand mit ccflex durchführen möchte. Dabei spiele neben dem Eigenschaftsprofil ein weiterer Vorteil eine wichtige Rolle: Der Wandbelag aus Marl könne schneller und kostengünstiger verarbeitet werden als Fliesen, die Stück für Stück verklebt und anschließend noch verfugt werden müssen.
Ein weiterer Pluspunkt ist das geringe Gewicht. Dadurch sind viele Leichtbauanwendungen in Zügen, Flugzeugen und Schiffen möglich, in denen eine hohe Funktionalität gepaart mit einer edlen Optik gefordert ist. Gerade im Premiumsegment - also bei Kreuzfahrschiffen oder der ersten Klasse in Bahnen und Fliegern - könnte eine zusätzliche Nachfrage entstehen, zumal das keramische Material eine hohe Brandschutzeinstufung erhalten dürfte.
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