2. Mayener DachForum 2002: Die Zahl der Architekten steigt, das Bauvolumen sinkt, Lösungen sind gefragt
(3.11.2002) Zum zweiten Mal wurde das Mayener DachForum in der Aula des Bundesbildungszentrums des Deutschen Dachdecker-Handwerks veranstaltet. Im Vordergrund standen diesmal, auf Wunsch der Architektenschaft, eher schwierige Themen.
Besonders in schweren Zeiten sind gute, praktikable Lösungen Mangelware. Die Architekten selbst gaben in Fragebögen die Themen für das Mayener DachForum vor: Schlechte Preise, ruinöse Konkurrenzsituation und dazu der allerorts wahrnehmbare Verfall der "Guten Sitten". Für diese täglichen Nöte wurde in Mayen bei Koblenz so manche Lösung erörtert. Das Forum war bereits Monate vor der Veranstaltung ausgebucht. Der Veranstalter, Rathscheck Schiefer, konnte als ideelle Mitträger die Architektenkammer Rheinland-Pfalz und das Bildungswerk des Deutschen Dachdeckerwerks gewinnen.
Bereits in den einführenden Worten wurde deutlich, welche Musik am Markt spielt. Die Zahl der Architekten steigt auf rund 170.000. Dagegen sinkt das Bauvolumen drastisch. Der zu verteilende Kuchen wird kleiner, der Kampf um die Aufträge härter und der Sittenverfall alltäglich. Was tun?
Dr. Heiner Geissler:
In der Sache hart bleiben, aber nicht persönlich angreifen
Mit der Bau- und Streitkultur setzte sich Dr. Heiner Geissler
auseinander. Die Kunst sei es heute, so Geissler, gute Argumente "florettartig"
einzusetzen. In einer Zeit der sich drastisch verändernden
Kommunikationsgewohnheiten, müsse man behutsam zuspitzen, um überhaupt gehört zu
werden. Diese Zuspitzung darf aber nur der Sache gelten, niemals einer Person.
Auch müsse man heute selbst gute Argumente in interessante Geschichten
verpacken, Metaphern verwenden um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Geissler: "
...denn: Gute Argumente fordern oft zu viel Gedankenarbeit." Fazit: Schwierige
Gespräche sollten sorgfältig vorbereitet werden. Gut sortierte Argumente und
interessante Geschichten helfen im Streitgespräch. In einer solchen Geschichte
berichtete Geissler über seine Jugend unter einem schönen Schieferdach.
Prof. Dr. Jagenburg:
Akquise: Wie lange arbeitet ein Architekt umsonst?
Sind Architekten Künstler oder Unternehmer? Viele sehen sich als
Künstler und vernachlässigen dabei oft kaufmännische und rechtliche Fragen. Den
rücksichtslosen Bauherren freut es. Im Rahmen des Verfalls der guten Bausitten
deklariert so mancher Bauherr selbst umfangreiche Vorplanungen als Akquise. Als
Beispiel nannte Prof. Jagenburg u.a. ein Ehepaar, das sich acht Hausentwürfe
anfertigen ließ und anschließend wegen Schwangerschaft die Baupläne komplett
zurückstellte. Der gutmütige Architekt arbeitete ohne Vertrag und hat heute Mühe
nachzuweisen, dass er beauftragt wurde, Entwürfe anzufertigen.
Wer ohne Vertrag arbeitet, ist selbst schuld, so die offizielle Meinung. Doch
weiß heute jeder Praktiker, dass der Architekt im harten Wettbewerb den
verschiedensten Erpressungsversuchen ausgesetzt ist. Dabei geht er oft genug
leer aus. Im Fall eines Streites muss der Architekt nämlich nachweisen, dass er
einen Auftrag hatte. Doch: Wie gelingt der Nachweis eines Auftrages, ohne dass
einem angehenden Bauherren gleich eine Unterschrift unter einen abschreckenden
HOAI-Vertrag abverlangt wird? Das kann z.B. ein Abrufauftrag oder eine
stufenweise Beauftragung sein. In beiden Fällen sind die Hürden nicht so hoch.
Aus dem Forum kam auch die Idee, dass bereits eine Katasteramt-Vollmacht für den
Architekten bei späteren Streitigkeiten ein Hinweis auf einen Auftrag sein kann.
Ist der Auftrag erteilt und das Objekt erstellt, gelangen Haftungsfragen ins
Blickfeld der Rechtsanwälte. Hier ermahnte Prof. Jagenburg die anwesenden
Architekten auf einen ausreichenden Versicherungsschutz zu achten. Vor allem
Architekten, die bisher nur kleinere Objekte realisierten, erleben existentielle
Probleme, wenn bei ersten größeren Objekten im Schadensfall die Deckungssumme
nicht reicht.
Prof. Dr. Markus Voeth: Marketing für Architekten:
Denn sie wissen was sie tun?
Marketing ist, wenn ein Architekt sein ganzes Wirken auf die
Bedürfnisse seiner Bauherren ausrichtet. Prof. Dr. Voeth wusste zu berichten,
dass deutsche Architekten sich nicht an diese Maxime halten. Im Auftrag von
Rathscheck Schiefer befragte er Bauherren und vor allem größere
Architekturbüros. Ergebnis: Der Bauherr denkt vor allem an Geld, Bezugstermin
oder solide Materialien. Der Architekt sieht sich als Künstler. Ein
Missverständnis? Nein riefen die anwesenden Architekten. Tenor: "Wenn wir tun
würden was der Bauherr wünscht, dann gäbe es keine Baukultur mehr." Voeth
widerspricht: Man müsse das Eine tun aber das Andere nicht lassen. Es müsse als
interessante Herausforderung gesehen werden, den Wünschen des Bauherren zu
entsprechen, und dennoch gute Architektur zu schaffen. Auch müsse der Einsatz
moderner EDV zu einer Kostenreduzierung u.a. in der Planung führen. Voeth:
"Warum kann ein bewährtes und solide durchgeplantes Einfamilienhaus nicht
gleichzeitig an mehreren Orten in Deutschland entstehen? Warum muss jedes
Einfamilienhaus exklusiv geplant werden?" Und er deutete an, dass viele
Einfamilienhäuser sich ohnehin ähneln. Der souveräne Vortrag des jungen
Professors erregte die Gemüter im Forum, zeigte aber vor allem auf, wie
festgefahren die Fronten sind und wie weit aktuelle Marketingerkenntnisse und
die Realität des Bauens auseinander klaffen. Prof. Voeth ist davon überzeugt,
dass die weit verbreitete Unzufriedenheit der Bauherren und der Imageverlust der
Branche seine Thesen bestätigen.
"Die Zeit der Einzelkämpfer ist vorbei", bestätigte auch der Moderator der
Veranstaltung, Ewald A. Hoppen. Es sei wichtig, ähnlich wie in anderen
Bereichen, auch in der Architektur Allianzen zu bilden. Fazit: Stoff zum
intensiven Nachdenken. Wer sich mit dem Thema beschäftigen will, kann die Studie
bei Rathscheck Schiefer und Dach-Systeme KG anfordern.
Prof. Dr. Gertis zur Energieeinsparung:
Das Geld der Bauherren sinnvoll einsetzen / Dachdecker als Wärmeschützer gefragt
Mit einigen ausgewählten Halbwahrheiten rund um energiesparendes
Bauen machte Prof. Gertis kurzen Prozess. Gertis sinngemäß: Jeder Neubau, und
sei er noch so energiesparend, trägt zu einer weiteren Belastung der Umwelt bei.
Vor allem die wärmetechnische Sanierung des vorhandenen Altbaubestandes
entlastet die Umwelt. Hierbei gilt grundsätzlich: Der Wärmeschutz hat absolute
Priorität vor etwaigen Solargewinnen. Bei der Planung energiesparender Gebäude
sollten Architekten alle Leidenschaften, Vorlieben und Emotionen ausklammern und
unbedingt sachlich arbeiten. Bei der Wahl der richtigen Techniken helfen
Energiebilanzen. Gertis präsentierte diese einfachen Bilanzen als adäquates
Hilfsmittel, um sich selbst und dem Bauherren den Sinn und Unsinn so mancher
Investition zu verdeutlichen. Anhand einer solchen Bilanz zeigte Gertis u.a. den
Unsinn einer Solaranlage in einem ungedämmten Altbau auf. Die Kosten und
Energiegewinne einer solchen Solaranlage glichen in diesem Beispiel nicht im
Ansatz die Energieverluste aus fehlender Wärmedämmung aus.
Abschließend präsentierte Gertis ernüchternde Zahlen. Demnach sind wir Deutschen
in Wirklichkeit am Umweltschutz nur mäßig interessiert. Rund 60% der Deutschen
sind nicht bereit, für ein ökologisch sinnvolles Bauen mehr zu bezahlen.
Schlussfolgerung daraus: Nur wirtschaftliche Techniken machen heute Sinn. Das
3-Liter-Haus gehört dazu, weil es sich rechnet. Weiter gehende Lösungen sind
laut Gertis zur Zeit unwirtschaftlich. Hierbei spielen vor allem die teuren
Fenstersysteme eine entscheidende Rolle. Höhere Wärmedämmungen, besonders am
Dach, sind dagegen heute kostengünstig realisierbar. Eine hohe Dämmung des
Daches ist dabei besonders wirksam. Hier entwickelt sich ein zukunftsträchtiges
Betätigungsfeld für das Dachdeckerhandwerk.
Dr. Uwe Dittmar und Dr. Wolfgang Wagner:
Guter Dachschiefer enthält mindestens 70 Glimmerlagen pro Millimeter
Ein guter Schiefer sollte mindestens 70 dicht gelagerte und gut
miteinander verzahnte Glimmerlagen besitzen. Wie ein solcher Schiefer unter dem
Mikroskop aussieht, zeigten Dr. Dittmar und Dr. Wagner anhand einer
Moselschieferprobe. Mit polarisiertem Licht wurden Interferenzfarben
verschiedener in der Schieferstruktur eingelagerter "Fremdmineralien"
aufgezeigt. Dr. Dittmar: "Die meisten Mineralien im Schiefer wie Quarz und
Silikate sind außerordentlich beständig und allerhöchstens im Hinblick auf
Fertigungseigenschaften wie Spaltfähigkeit oder Lochbarkeit von Bedeutung. Nur
wenige Mineralien gelten als witterungsanfällig. Das sind Karbonatverbindungen
wie z.B. Kalk, organischer Kohlenstoff und deren Verbindungen wie z.B. Bitumen,
und verschiedene Erzminerale wie z.B. Eisensulfide".
Die beim Dachkongress präsentierte Untersuchungsmethoden für Schiefer wurden in
vereinfachter Form in die neue Europäische Schiefernorm, an deren Erarbeitung
das Unternehmen maßgeblich mitwirkte, aufgenommen. Als erstes Unternehmen der
Branche hat Rathscheck Schiefer für alle seine Gewinnungsstätten
Konformitätsnachweise nach der neuen Europäischen Schiefernorm EN 12326
erarbeiten lassen.
Dachdeckermeister Claudius Polefka:
ThermoSklent: Eine Aufsparrendämmung für hohe Ansprüche
Schieferdächer mit sehr hohen Wärmeschutz, wie es die neue EnEV fordert, waren wegen der erforderlichen vollflächigen Schalung bisher konstruktiv sehr aufwändig. Mit dem Aufsparrenelement ThermoSklent ist jetzt ein Dämmsystem in mehreren Varianten auf dem Markt, das zwei zuweilen widersprüchliche Welten miteinander verbindet. Zum einen ist es das ästhetische Schieferdach und zum anderen eine hohe bis sehr hohe Wärmedämmung:
Insbesondere in Kombinationen mit Zwischensparrendämmungen lassen sich herausragende Dämmwerte bis zu sensationellen U-Werten um 0,08 W/m²K erzielen. DDM Polefka zeigte die Details des Systems, vor allem die verschiedenen statischen Systeme von der Traufbohle über Knaggen bis zur modernen kontinuierlichen Verschraubung. Mit den Elementen für Sanierung oder Neubau steht hochwertigsten Dachkonstruktionen mit Schiefereindeckung nichts mehr im Wege.
Betriebswirt Dirk Ackermann:
Schieferdächer professionell planen und vergeben
Die Planung und Vergabe von Schieferdächern wird durch die von
Rathscheck entwickelte, frei erhältliche Software "Schieferplaner" enorm
erleichtert. Dirk Ackermann präsentierte die neueste Generation der Software,
die auf CAD basierend und unter Berücksichtigung aller Schieferfachregeln auch
eine komplizierte Dachplanung zum Kinderspiel werden lässt. Das Programm
vergleicht dabei permanent den Entwurf und die Möglichkeiten der
Schieferdeckung, z.B. Dachneigung zur Deckart, und schließt fehlerhafte Ansätze
von vornherein aus.
Nach der soliden Planung geht es auf die bis dahin zuweilen schwierige
Partnersuche. Nur etwa 2000 der 10000 Dachdeckerbetriebe sind nämlich auf
Schieferdeckungen spezialisiert. Im neuen Schieferdecker-Infonetz sind diese
2000 Dachdecker schnell gefunden. Rund um die geplante Baustelle zeigt die
Internetanwendung auf Wunsch zum Beispiel die 10 nächstgelegenen Schieferdecker.
Die ausgewählten Dachdecker präsentieren sich dort, soweit vorhanden, mit ihrer
Internet-Adresse verlinkt und können u.a. auch per E-Mail die mit dem
Schieferplaner vorbereitete Ausschreibung erhalten. Auch Schieferdecker arbeiten
mit dieser Software, und so wird aus einer Ausschreibung schnell ein
grundsolides Angebot. Fazit: Schieferplanung und Vergabe sind heute auch für
weniger erfahrene Architekten professionell abzuwickeln. Komplizierte Regeln
muss heute kein Planer mehr beherrschen. Dafür gibt es Software.
Architekt László Pongor:
Kraftvolle Linien / Imre Makovecz steht für die organische Architketur
Die organische Architektur zeichnet sich durch einen engen Zusammenhang zwischen architektonischer Erscheinung eines Gebäudes und der entsprechenden Gestaltung der Tragkonstruktion. Seit der Mitte der 60er Jahre sind die Bauten des Ungarn Imre Makowicz ein Inbegriff für organische Architektur. Seit Anfang der 90er Jahre vertritt die Vereinigung "Kós Károly" diese Architekturrichtung. Rund 1000 Architekten gehören heute dazu. Viele der Bauwerke bestehen aus Holz. Um das Tragwerk innen sichtbar zu erhalten, werden bei Bedarf Aufsparrendämmsysteme eingesetzt. Die weichen Formen der Dächer fordern den Einsatz kleinteiliger Deckungsmaterialien. Schiefer mit seinem edlen Glanz hebt die vielen Rundungen besonders imposant hervor. Zu den herausragenden Bauwerken zählen eine Schwimmhalle in Eger, Ungarn, oder der ungarische Pavillon anlässlich der Expo 1992 in Sevilla, beide gedeckt mit Rathscheck Schiefer.
Fazit:
Das zweite Mayener DachForum baute seine Position als meinungsbildende Veranstaltung der Architektenschaft aus. Mit Themen wie Bauphysik, Akquise, Verhandlungstaktik, Architekten-Marketing, Produktneuheiten oder Architekturtrends wurde viele Fragen der Architektenschaft aufgearbeitet. Lösungen für schwierige Zeiten, kontrovers diskutierte Vorträge, und unbequeme Antworten gehörten dazu.
siehe auch:
ausgewählte weitere Meldungen:
siehe zudem:
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- "Dachdeckung", "Architektenkammern" und "weitere Architektenverbände" auf Baulinks