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MediaKomm Esslingen startet virtuelles Bauamt

(22.7.2002) Um den Baugenehmigungsprozess digital zu modellieren und damit deutlich zu vereinfachen, geht man in Esslingen am Neckar neue Wege. Bereits im Februar diesen Jahres stellte das Esslinger Forschungs- und Entwicklungsprojekt MediaKomm in Berlin die erste elektronisch signierte Grundkarte vor (siehe Meldung vom 8.2.2002). Im Rahmen einer Fachveranstaltung mit zahlreichen Vorträgen startet nun die süddeutsche Stadt eine Bauplattform inklusive virtuellem Bauamt; damit soll nun endgültig das Papier als Original durch ein digitales Datum mit elektronischer Signatur ersetzt werden.

Baugenehmigungsprozess
moderne Technik trifft auf alte Strukturen - auch im frisch renovierten alten Rathaus in Esslingen zur Vorstellung des virtuellen Bauamtes im Rahmen einer Fachveranstaltung

Das Projekt MediaKomm Esslingen ging 1999 als einer der Gewinner aus dem Städtewettbewerb Media@KOMM - einem der bisher größten Multimedia-Projekte des Bundes - hervor. Ziel ist es / war es, über einen Zeitraum von drei Jahren (1999-2002) die virtuelle Stadt mit elektronischem Rathaus und virtuellem Marktplatz modellhaft zu erforschen und zu entwickeln. Im Mittelpunkt des Projekts MediaKomm Esslingen steht hierbei das Ziel, rechtsverbindliche Transaktionen im Internet unter Einbindung der elektronischen Signatur möglich zu machen (siehe auch digitale ID). Dabei setzt man auf Synergien: MediaKomm Esslingen ist ein Verbundprojekt und vereinigt Partner aus Kommunen, der Privatwirtschaft und Forschungsinstitutionen.

Eine der aus dem Projekt hervorgehenden Anwendungen auf Basis der elektronischen Signatur ist eine Bauplattform samt virtuellem Bauamt. Bürger haben öfter mit einem Baugenehmigungsverfahren zu tun als man denkt. Sei es, dass er sich ein Haus bauen will, sei es, dass er sich über ein neues Baugebiet oder Straßenbauprojekt in der Nachbarschaft informieren will. Die Erfahrungen, die er dabei macht, sind nicht immer nur positiv: Das Baugenehmigungsverfahren, wie es sich im Moment darstellt, kostet wegen seiner Komplexität alle Beteiligten - Bürger, Verwaltungsmitarbeiter, Architekten - viel Zeit, Geld und manchmal auch Nerven.

"MediaKomm Esslingen möchte nun durch den konsequenten Einsatz neuer Technologien den Bauprozess erheblich effizienter gestalten und die Bauverwaltung in Richtung Privatwirtschaft öffnen. Gleichzeitig wollen wir die Plattform nutzen, um die Bürgerpartizipation zu verstärken", so Oberbürgermeister Dr. Jürgen Zieger. "eGovernment meets eBusiness" lautet deshalb in Esslingen die Devise. Das Konzept ist relativ simpel. Den Projektverantwortlichen geht es weder darum, die bestehenden Prozesse in der Bauverwaltung zu verändern, noch in die Verfahren der Fachplaner einzugreifen. "Intelligente und sichere Schnittstellen zwischen den Beteiligten machen rechtsverbindliche elektronische Kommunikation zur medienbruchfreien Abwicklung des gesamten Bauprozesses möglich", erklärt Andreas Kraft, Projektleiter bei MediaKomm.

Auf der Esslinger Bauplattform gibt es einen im Extranet der Stadtverwaltung liegenden Bereich für die Bauverwaltung - das virtuelle Bauamt. Dieses kommuniziert mit den bestehenden elektronischen Baugenehmigungssystemen in den Verwaltungen mittels standardisierten Daten im XML-Format. Im virtuellen Bauamt sind beispielsweise digitale Informationen, Katasterkarten, Pläne und sonstige Dokumente abgelegt, die für Planungsvorhaben relevant sind.

In einem davon gesonderten Bereich der Plattform haben via Internet Architekten und Fachplaner die Möglichkeit, sich ebenfalls einen virtuellen Projektraum einzurichten (siehe auch internetbasiertes Projektmanagement - IBPM). Anmeldung und Kommunikation mit dem virtuellen Bauamt erfolgen auch hier unter Einbindung der elektronischen Signatur - wie auch die Verwaltung von Lese- und Schreibrechten.

Die Plattform bietet den Planern Funktionalitäten, um das Bauvorhaben bis zur Antragstellung für eine Baugenehmigung vorzubereiten. Die Besonderheit gegenüber anderen IBPM-Systemen besteht darin, dass bereits im Vorfeld der Antragstellung auf informeller Basis kommunale Instanzen gehört und um unverbindliche Stellungnahmen via Onlineprojektraum gebeten werden können. Die berechtigten Nutzer können auch Dritte in ihren Projektraum einladen, um diese am elektronischen Planungsprozess zu beteiligen. Die im virtuellen Bauamt elektronisch vorliegenden Pläne und Karten sind dabei für alle Beteiligten elektronisch verfügbar. Die System bietet dazu neben der reinen Datei- und Dokumentenverwaltung einen CAD-Viewer an, der unterschiedliche CAD-Formate anzeigen kann (Beispiel aus einem anderen System). Es besteht beispielsweise die Möglichkeit weitere Ebenen (Layer) über einen vorliegenden Plan zu legen. So können zum Beispiel unterirdische Leitungssysteme, Gebäude oder auch das Luftbild mit einem Bebauungsplan abgeglichen werden. Bremsklotz ist momentan noch die geltende in zweidimensionaler Denkweise erstellte Zeichenverordnung, die festlegt, wie Planungsvorhaben visualisiert werden. "Die Daten liegen uns vektorisiert vor. Das bedeutet, dass wir Vorhaben eigentlich dreidimensional und somit viel komfortabler und für jeden verständlich darstellen könnten. Die Zeichenverordnung zwingt uns dazu, alles in die Zweidimensionalität runter zu rechnen", so Kraft. Der Projektleiter sieht hier dringenden Handlungsbedarf für eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen.

Hat der Fachplaner seine Planungen in seinem Projektraum, über den nebenbei bemerkt auch Ausschreibungen laufen können, fertig gestellt, leitet er diese elektronisch signiert und in digitaler Form an das virtuelle Bauamt weiter. Unterstützt wird er dabei durch einen mit Baurechts-Know-How ausgestatteten Formularserver, der auch die elektronische Antragstellung mit abwickelt.

Das Baurechtsamt prüft die Unterlagen auf Vollständigkeit, erstellt ein Aktenzeichen und initialisiert seinerseits einen Projektraum innerhalb des virtuellen Bauamtes der eine digitale Bauakte darstellt. Zur Bearbeitung des eigentlichen Genehmigungsprozesses verwendet das Amt weiterhin die bereits vorhandene Baugenehmigunssoftware. Über den Projektraum innerhalb des virtuellen Bauamts können die Verwaltungen die zu beteiligenden Parteien (z.B.: Feuerwehr, Denkmalamt,....) einladen und ihnen somit Zugriff auf die digitale Bauakte ermöglichen. Der interne Abstimmungsprozess zwischen den einzelnen Verwaltungseinheiten kann digital über das virtuelle Bauamt abgewickelt werden. Das hat den Vorteil, dass die Akten nicht mehr von Amt zu Amt wandern. Paralleles und zeitgleiches Arbeiten wird möglich. Die in der Verwaltung eingesetzte Baugenehmigungssoftware wird über eine bidirektionale XML-Schnittstelle mit den zu einem Bauantrag gehörenden Daten versorgt und liefert im Gegenzug Statusmeldungen über den Fortschritt des Genehmigungsprozesses.

Interessant ist, dass auch die Beteiligung von Anwohnern und Nachbarn bis hin zum rechtsverbindlichen Einspruch über das virtuelle Bauamt erfolgen kann. Bei kommunalen Bauvorhaben oder auch im Rahmen der Bauleitplanung könnte das System auch zur Bürgerpartizipation genutzt werden, indem Informationen in einem Projektraum vorgehalten werden und die Meinung der Bürgerschaft online abgefragt wird. Ein erster Feldversuch wurde in Esslingen erfolgreich durchgeführt. Noch transparenter wären Planungsvorhaben für die zu beteiligenden Bürgerinnen und Bürger freilich, wenn die juristischen Voraussetzungen für eine dreidimensionale Darstellung schnell geschaffen würden.

Doch die Zeichenverordnung ist nicht die einzige juristische Hürde, die sich dem virtuellen Bauamt stellt. Zwar wurde mit Signaturgesetz und -verordnung, sowie den Änderungen der Formvorschriften im Zivilrecht ein juristischer Rahmen geschaffen. Es besteht jedoch noch Anpassungsbedarf bei Formvorschriften im Baurecht und den Fachvorschriften. Deshalb werden auch in Esslingen Baugenehmigungen zukünftig parallel immer noch über den Umweg Papier ausgestellt. Dies ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass die Bauplattform den gesamten Bauprozess für die Beteiligten heute schon erheblich effizienter gestaltet. Jetzt ist die Politik gefordert, die entsprechenden rechtlichen Anpassungen vorzunehmen. Danach kann mit der Esslinger Bauplattform sofort rechtsverbindlich elektronisch genehmigt werden.

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