offener Brief des BDB-Landesverbandes NRW zur Einführung von Studiengebühren
(9.6.2002) In einem offenen Brief an das NRW-Ministerium für Schule,
Wissenschaft und Forschung, vertreten durch die Ministerin Gabriele Behler, nimmt der
BDB-Landesverband NRW Stellung zur Einführung von Studiengebühren in
Nordrhein-Westfalen:
Sehr geehrte Frau Ministerin Behler,
in der Öffentlichkeit wird z.Z. die Einführung von Studiengebühren ab dem Sommersemester 2003 diskutiert.
Getragen von der Enge des Landeshaushaltes 2003 sieht sich die Landesregierung offenbar veranlasst, auch kleinere Lücken kommender Haushalte mit der Einführung der Erhebung von Studiengebühren schließen zu wollen.
Wir wollen mit diesem Schreiben nicht eingehen auf die mögliche zweckgebundene Verwendung dieser Mittel - das könnte ja noch Sinn machen - denn die Ausstattung der Hochschulen ist sicherlich erheblich verbesserungsbedürftig.
Es änderte aber nichts an der Unangemessenheit der angedachten Maßnahme.
Der BDB - mit 24.000 Mitgliedern größter gemeinsamer Architekten- und Ingenieurverband -, der bundesweit rd. 7.000 Studenten/innen als Vollmitglieder in seinen Reihen weiß, protestiert vehement gegen die Einführung von Studiengebühren.
Die mögliche Einführung ist ungerecht, sie verbaut jungen Menschen die Chance eines zielgerichteten Studiums, sie privilegiert dafür aber "reichere" Studenten/innen und ist einer sozialdemokratischen Regierung sicherlich völlig wesensfremd.
Überhaupt ist in vielen Bereichen unserer Gesellschaft, insbesondere aber im Bildungswesen, eine gewisse "Eliteorientierung" festzustellen- nicht umsonst entstehen Stiftungshochschulen, Schulen in privater Trägerschaft oder Modelle privater Highschools.
Zwar sieht ein Betrag von Euro 50,- pro Semester sowie eine Anhebung des Sozialbeitrages auf Euro 100,- pro Semester zunächst gering aus. Wie sieht es dann aber in Prüfungssemestern aus, wo dann mögliche "Langzeitstudenten/innen" bis zu Euro 650,- aufbringen können müssen. Woher soll das Geld bei den Studenten/innen kommen? Wie sollen neben den Diplom- und Prüfungssemestern die Studiengebühren verdient werden?
In den von uns vertretenen Fachgebieten Architektur und Bauingenieurwesen beträgt die durchschnittliche Studienverweildauer
- in Fachhochschul-Architekturstudiengängen 10 - 11 Semester,
- in Fachhochschul-Bauingenieurstudiengängen ebenfalls 10 -11 Semester,
- bei den Universitäts-Bauingenieurstudiengängen etwa 12 - 13 Semester, die gleiche Zahl bei den Architekturstudiengängen an Hochschulen.
Diese durchschnittliche Studienverweildauer liegt auf dem Niveau vergleichbarer europäischer Länder bzw. darunter.
Natürlich liegt die durchschnittliche Studienverweildauer auch etwa zwei Semester über den als Regelstudienzeit ausgewiesenen Semestern.
"Ohne" Schwierigkeiten können somit Studenten/innen, die eigentlich in der Regel ihr Studium bisher ordentlich absolviert haben, durch Diplom- und Prüfungssemester zum "Langzeitstudenten" für zwei Semester werden mit bis zu Euro 650,-- Studiengebühr.
Auch darf bei der Betrachtung der Situation die Förderhöchstgrenze des BAföG nicht vergessen werden, die z.Z. bei Euro 500,-- liegt.
Da liegt es auf der Hand, das diese Gelder zusätzlich verdient werden müssen, also wieder mehr Zeit für außerhalb des Studiums liegende, existenzsichernde Tätigkeiten aufgewendet werden müssen.
Gerade die wirtschaftliche Situation der Studenten/innen ist z.B. durch Berichte der Studentenwerke und des Bundesbildungsministeriums ausreichend untersucht und belegt worden. Der 16. Sozialbericht verdeutlicht diese Situation und bedarf keiner weiteren Kommentierung.
Die Diskussion um Studiengebühren flackert mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder auf. Die Gründe dafür waren unterschiedlich, die Konsolidierung eines Landeshaushaltes mutet aber mehr als abenteuerlich an.
Zwar wollen wir nicht die Bemühungen der Landesregierung zur Haushaltskonsolidierung in Abrede stellen, aber bitte, die Einführung von Studiengebühren rettet diesen und auch künftige Haushalt nicht.
Investitionen in die Bildung der jüngeren Generation sind Zukunftsinvestitionen - zusätzliche wirtschaftliche Belastungen der Studenten/innen konterkarieren diese Bemühungen.
Wir bitten Sie, sehr geehrte Frau Ministerin, Ihren Einfluss im Kabinett geltend zu machen, und für eine "studiengebührenfreie Hochschule" zu streiten.
Gerne unterstützen wir Sie mit Rat und Tat und stehen jederzeit zu Gesprächen zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
BDB-Landesverband NW
gez.
Dipl.-Ing. Robert Dorff
Landesvorsitzender
siehe auch: