Institut der deutschen Wirtschaft Köln: Keine Silvesterlaune
(28.12.2001) Die deutsche Wirtschaft blickt so pessimistisch ins neue Jahr wie zuletzt in der Rezession 1992/93: Von den 44 vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) befragten Wirtschaftsverbände rechnen für 2002 zwölf Branchen mit stagnierenden und 19 mit sinkenden Produktions- und Umsatzzahlen. Selbst die lange Zeit recht positiv gestimmten exportstarken Industriesparten schätzen die Geschäftsperspektiven für das kommende Jahr inzwischen eher ungünstig ein. Dies liegt vor allem daran, dass die Folgen der Terroranschläge in den USA die Weltwirtschaft offenbar länger beeinträchtigen als zunächst vermutet. Da allerdings viele Beschaffungs- und Investitionsvorhaben derzeit lediglich aufgeschoben, nicht aber storniert werden, könnte es zur Jahresmitte 2002 zu einem zügigen Aufschwung kommen. Voraussetzungen dafür sind, dass sich das weltweite Wirtschaftsklima aufhellt und die anstehende Lohnrunde hierzulande mit wachstums- und beschäftigungsfreundlichen Abschlüssen endet.
In 35 Wirtschaftssektoren herrscht derzeit eine gedrücktere Stimmung als vor Jahresfrist. Lediglich die Ernährungsindustrie ist etwas zuversichtlicher - der heiße Sommer ließ den Getränkeabsatz steigen, die Folgen der Tierseuchen sind überwunden, und der Export florierte bis zuletzt. Ansonsten sind die Wirtschaftsverbände jedoch durchweg skeptisch - dies gilt für die baunahen Sparten ebenso wie für die exportintensiven Industrien und die Hersteller von Vorleistungsgütern. Sogar die meist besser gegen Konjunkturschwankungen gefeiten Dienstleister und die Branchen der New Economy sind weniger guter Dinge als zum Jahresende 2000. Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, dass sich die vor einem Jahr allgemein geäußerte Hoffnung auf einen weiteren Aufschwung nicht erfüllt hat.
So sind die Erwartungen für 2002 denn auch deutlich zurückhaltender. Nur zwölf der 44 Verbände hoffen auf bessere Geschäfte als in diesem Jahr. Damit überwiegt die Zahl der pessimistischen Wirtschaftszweige die der Optimisten um sieben - im vergangenen Jahr wurden noch 23 mehr positive als negative Meldungen verzeichnet. Die Dienstleistungssparten sind dabei deutlich zuversichtlicher als das Produzierende Gewerbe. Von 14 in der Umfrage vertretenen Service-Verbänden haben für 2002 immerhin sieben höhere Umsätze im Visier als im ablaufenden Jahr – von den 30 Industriesparten sehen sich dagegen nur fünf im Aufwind.
Entsprechend ungünstiger sind auch die Beschäftigungsperspektiven. Statt wie vor einem Jahr 13 Verbände, halten es nun 28 für unausweichlich, ihren Personalbestand zu reduzieren. Lediglich drei Branchen rechnen mit zusätzlichen Einstellungen - ausnahmslos Vertreter des Dienstleistungsgewerbes. Auch wenn das Beschäftigungsbarometer insgesamt nach unten zeigt, gibt es dennoch eine Reihe von Wirtschaftsbereichen, die ihren Bedarf an hoch qualifizierten Fachkräften auf dem heimischen Arbeitsmarkt nicht decken können.
Zu den allgemein gedämpften Erwartungen passt auch das abgekühlte Investitionsklima. Nicht ausgelastete Kapazitäten, schrumpfende Erträge, unsichere Konjunkturperspektiven und eine wenig wachstumsförderliche Wirtschaftspolitik haben die Investitionsneigung deutlich verringert. Erstmals seit Mitte der neunziger Jahre überwiegt wieder die Zahl der Branchen, die ihre Investitionsbudgets kürzen wollen. Bestenfalls sind Rationalisierungs- oder Ersatzinvestitionen geplant. Zudem hält der Trend zu Engagements an kostengünstigeren Standorten im Ausland an.
Neben der Konjunkturflaute beschäftigt die Wirtschaft derzeit auch die Einführung des Euro-Bargelds zum 1. Januar 2002. Aus diesem Anlass wollte das IW in einer Zusatzfrage wissen, ob die Wirtschaftszweige durch den Euro-Start eine Behinderung der Geschäftstätigkeit erwarten. Alle 44 Verbände beantworteten diese Frage mit Nein. Die Mitgliedsfirmen sehen sich - nicht zuletzt wegen der umfassenden Informationsaktivitäten der Verbände – gut auf die Währungsumstellung vorbereitet. Der Handel und die Handwerker mit Ladenbetrieb müssen freilich zum Jahreswechsel mehr Personal einsetzen, um den technischen Wechsel zum Euro problemlos bewältigen zu können.
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