Licht- und Klimatechnik im umgebauten Reichstagsgebäude
(10.8.2001) Zu einem Besuchermagneten der Bundeshauptstadt Berlin hat sich das umgebaute Reichstagsgebäude in Berlin mit seiner eindrucksvollen Kuppel entwickelt. Dem Architekten Sir Norman Foster ist damit nicht nur architektonisch ein großer Wurf gelungen - gleichzeitig ist die zugängliche Kuppel wichtiger Bestandteil der innovativen Licht- und Klimatechnik des umgebauten Reichstagsgebäudes.
Im Kuppelinneren befindet sich ein trichterförmiges Lichtumlenkelement, das auf seiner Außenseite mit insgesamt 360 Einzelspiegeln versehen ist. Die Spiegel lenken das diffuse Tageslicht in den 10 m tiefer gelegenen Plenarsaal. Zur Vermeidung direkter Sonneneinstrahlung auf die Spiegel werden die jeweils der Sonne zugewandten Seiten von einem beweglichen Sonnenschutzelement abgeschattet. Dieser fährt auf Rollen an der Tragkonstruktion der Kuppel entlang. Seine nach Tages- und Jahreszeit korrekte Position errechnet ein Computer. Im Inneren des Lichtumlenkelements wird die Abluft aus dem Plenarsaal abgeführt. Durch Luftschlitze am unteren Ende des trichterförmigen Bauteils tritt die Luft ein, um anschließend im offenen Scheitel der Kuppel wieder zu entweichen.
Die Architektur der äußeren Glaskuppel ist optisch prägnant. Wesentlich unauffälliger, für die technische Gesamtkonzeption aber nicht weniger bedeutend, ist eine zweite, innere Kuppel im Reichstagsgebäude. Sie grenzt den Plenarsaal nach oben ab. Auch hier wählte der Architekt eine vollverglaste Ausführung. Der untere Bereich besteht aus einer konusartig sich verjüngenden Schrägverglasung, hinter dem sich die Presselobby im obersten Geschoss des Gebäudes befindet. Der Scheitel der inneren Kuppel wird von einer nahezu waagerecht liegenden Glasfläche gebildet, über der sich der Raum der großen Besucherkuppel anschließt.
Während der lichttechnischen Planungen stellte sich heraus, dass die Presselobby hinter den schrägverglasten Flächen einen eigenständigen Sicht- und Blendschutz benötigt. Gleichzeitig sollte es möglich sein, einen Teil der schallreflektierenden Glasflächen bei Bedarf mit absorbierenden Materialien abzudecken und so die Raumakustik im Plenarsaal zu verbessern. Die Firma Clauss Markisen aus Bissingen-Ochsenwang erhielt deshalb den Auftrag, 36 Markisen-Schräganlagen zu liefern und auf der Innenseite einzubauen.
Durch die konusartige Verjüngung der Schrägverglasung ergeben sich für die einzelnen Markisen jeweils Trapezformen. Es bot sich an, die Tücher vom 1,80 m breiten unteren Ende nach oben zu ziehen, wo die Breite nur noch 1,20 m beträgt. Die Tuchwelle liegt also unten und die Motorwelle mit den Seilzügen oben. Als Antriebe der oberen Welle dienen Somfy-Einsteckantriebe.
Für die Arbeiten in dieser ungewöhnlichen Höhe stand eine gebäudeeigene Befahranlage zur Verfügung. Von hier aus montierten die Männer von Clauss Markisen die insgesamt 72 Tuch- bzw. Motorwellen in fünf Tagen. Für die Auswahl der immerhin 407 Quadratmeter Tuch für die Markisen im Plenarsaal wurden technische Messungen durchgeführt. Die Wahl fiel auf ein Material mit genau definiertem Schallabsorptionsvermögen ausgewählt, das einen unangenehmen Nachhall des gesprochenen Wortes wirksam verhindert. Gerade darauf hatte der Bundestag nach weniger glücklichen Erfahrungen im Bonner Parlamentsgebäude besonderen Wert gelegt.
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