Vom TÜV-Bausiegel ist der Lack ab
(8.3.2001) Wer siegelt und kassiert, muss nach Überzeugung der Bayerischen Ingenieurekammer- Bau und der Baukammer Berlin auch haften. Allerdings konnte erst eine richterliche Entscheidung die "TÜV-Bauaufsicht" zu dieser eigentlich banalen Einsicht nötigen. Wie das Dresdener Oberlandesgericht am 26.10.2000 (AZ 7 U 1524/00) feststellte, schulden TÜV-Kontrolleure ihren Auftraggebern "einen Erfolg". Der TÜV-Formularvertrag gilt als Werkvertrag. Gegenstand des Ingenieur-Werkvertrags sind Leistungen, die geeignet sind, "ein technisch einwandfreies Bauwerk entstehen zu lassen."
Keinen Zweifel ließen die Richter in Sachsen in der Frage aufkommen, welches Qualitätsniveau Pfusch am Bau verhindern könne: "Nicht lediglich ein bloßes Tätigwerden ohne Rücksicht auf das Ergebnis", sondern eine Freiberuflern vergleichbare Bauaufsicht, bildet die Meßlatte für Qualität am Bau.
Wie von den Ingenieurkammern nicht anders erwartet, musste die vom TÜV kultivierte Illusion einer "von Terminen und Kostendruck unabhängigen, projektbezogenen Qualitätssicherung" vor Gericht schnell der Erkenntnis weichen, dass stichprobenartige Kontrollen im so genannten Fünf-Phasen-Check "nicht von einer schuldhaften Pflichtverletzung entlasten können". Für den TÜV - natürlich aber auch für freiberufliche Ingenieure und Architekten - kann es keinen Persilschein für übersehene Baumängel oder - wie im Urteilsfall - für nach der Fertigstellung noch sichtbare Bauschäden geben.
Nicht nur die Münchner und Berliner Ingenieurkammern begrüßen daher die Feststellung des Gerichts in der Leistungsfrage: "Die Frage des Vorliegens eines Mangels und in der Folge eines Schadens ist ... allein davon abhängig, ob das Bauwerk der geschuldeten Leistung entspricht". AGB-widrige, den Verbraucherschutz konterkarierende Haftungsausschlussklauseln haben in TÜV-Werkverträgen nichts verloren.
Das Urteil setzt zudem ein positives Signal für die Kostensicherheit von Bauherren und Investoren. Da sein Angebot vom Gericht als Ingenieurleistung identifiziert wurde, wird sich der TÜV nach Überzeugung der Kammern in einem nächsten Schritt auch zur Einhaltung der gesetzlich normierten Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) verpflichten müssen. Damit, so hoffen die Ingenieurkammern, wird auch die Baufinanzierung durch TÜV-Partner im Finanzgewerbe transparenter und verbraucherfreundlicher. Bedenklich stimmt allerdings, dass sich der TÜV auch nach dem Dresdener Urteil doppeldeutig zeigt. Tief blicken lässt der TÜV Süddeutschland, wenn er noch zwei Monate nach dem Dresdener Urteil auf Anfrage erklärt, dass die TÜV Bau und Betrieb GmbH "keine erfolgsbezogenen Verpflichtungen und keinerlei Leitungs- und Koordinierungsaufgaben" übernimmt. Zudem, so der Bereich Recht und Versicherungen des TÜV Süddeutschland, gewährt der TÜV "auch keine Garantie für die Mängelfreiheit des begutachteten Bauobjekts".
Nach dieser "Offenbarung" augenscheinlich um Schadensbegrenzung bei seinen Werbe- und Finanzpartnern (Commerzbank, Sparkassen etc.) bemüht, äußerte sich die TÜV-Rechtsabteilung am 23.02.01 sybillinisch: "Selbstverständlich übernimmt die TÜV Süddeutschland Bau und Betrieb GmbH, nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen, die Gewährleistung für die von ihr vertraglich gegenüber dem Auftraggeber übernommenen Leistungen". Welcher Gehalt diesen doppelbödigen Aussagen beizumessen ist, werden Bauherren möglicherweise erst dann erfahren, wenn sie wegen Bauschäden an ihrem TÜV-geprüften Objekt den Rechtsweg beschreiten.
Quelle:
siehe auch :
- TÜV Süddeutschland Bau und Betrieb
- Meldung "Bauschäden sind vermeidbar!" vom 22.2.2001
- "Rechenmodelle für Immobilien- und Baukosten" bei BAULINKS.de (u.a. mit einer Honorarermittlung nach HOAI)